Forscher haben den erdnächsten Planet jenseits unseres Sonnensystems entdeckt. Auf dem Exo-Planeten Proxima Centauri b könnte es Leben geben. Das befeuert die Fantasie.

London - Der nächste Nachbar unseres Sonnensystems, die rote Zwergsonne Proxima Centauri, taumelt über den Südhimmel. Allerdings so minimal, dass Guillem Anglada-Escudé von der Queen Mary Universität in London und seine 30 Kollegen – unter anderem von der Universität Göttingen, dem Heidelberger Max-Planck-Institut für Astronomie und dem Astronomischen Rechen-Institut in Heidelberg – schon längere Zeit mit einem 3,6-Meter-Teleskop der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile hinschauen mussten, um sicher zu sein: Um den rund 40 Billionen Kilometer entfernten Stern Proxima Centauri kreist vermutlich ein Planet, der unserer Erde ähneln könnte, verkünden die Forscher in der Zeitschrift „Nature“ (Band 536, Seite 437). Und das auch noch in einer Entfernung, in der Wasser auf seiner Oberfläche vorkommen könnte – was wiederum als Voraussetzung für Leben angesehen wird.

 

Noch sprechen die Wissenschaftler zwar von einem „Planeten-Kandidaten“. Dies sei dennoch „ein super Ergebnis“, sagt Philipp Eigmüller vom Berliner Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Schließlich lässt sich ein Planet in unserer unmittelbaren Umgebung mit der Technik von heute schon relativ gut untersuchen. Zwar wurden in den vergangenen Jahren bereits mehr als 3500 extrasolare Planeten entdeckt, diese seien aber deutlich weiter entfernt, erklärt Eigmüller. „Ein solches Ergebnis, noch dazu beim allernächsten Stern, hatten wir herbeigesehnt“, gesteht der Spezialist für solche Exo-Planeten außerhalb unseres Sonnensystems. Zumindest wenn die Daten zuverlässig sind.

Schwerkraft des Planeten bringt die Sonne ins Taumeln

„Ich halte das Ergebnis für sehr solide“, sagt Artie Hatzes. Der US-amerikanische Direktor der Thüringer Landessternwarte Tautenburg ist ein ausgewiesener Spezialist für die Methode, mit welcher der Planet um Proxima Centauri entdeckt wurde. Dabei bestimmen die Forscher im Prinzip, wie die Schwerkraft eines Planeten ein klein wenig die viel größere Sonne rüttelt und ihre Bahn so leicht ins Taumeln bringt. Einen solchen Rhythmus haben die Forscher um Anglada-Escudé zunächst in den Daten gefunden, die zwischen 2000 und 2008 am ESO-Observatorium auf dem Cerro Paranal in der Atacama-Wüste im Norden Chiles gemessen wurden.

Dazu kamen weitere, ein paar Jahre alte Daten vom einige Hundert Kilometer weiter südlich liegenden ESO-Observatorium auf dem La Silla-Berg, sowie eine zusätzliche Dauerbeobachtung von dort, die vom 16. Januar bis zum 31. März 2016 dauerte. Jedes Mal fanden die Forscher einen Rhythmus des Taumelns, der auf einen Planeten hindeutete.

Hatzes hat diese Ergebnisse analysiert: „In zwei voneinander unabhängigen Sätzen von Daten, die noch dazu an zwei verschiedenen Observatorien gemessen wurden, zeigt sich jeweils ein starkes Signal“, sagt der Forscher. Da Anglada-Escudé und seine Kollegen andere Erklärungen für den gemessenen Rhythmus der Radialgeschwindigkeit ausschließen können, bleibt nur noch eine Erklärung: Ein Planet kreist um Proxima Centauri. Das bestätigt Hatzes in einem weiteren Artikel in „Nature“ (Band 536, Seite 408), in dem er den Fund seiner Kollegen unter die Lupe nimmt.

Proxima Centauri b hat mindestens die 1,3-fache Größe der Erde

„Leider kann man mit dieser Methode nur die minimale Masse des Planeten bestimmen“, erklärt Hatzes. Demnach hat der auf „Proxima Centauri b“ getaufte Planet mindestens die 1,3-fache Größe der Erde. Bereits die doppelte Masse für eine „Super-Erde“ ist wenig wahrscheinlich. Damit ist der „Neue“ erheblich kleiner als viele der anderen bisher entdeckten Exo-Planeten, die vermutlich eher den großen Gasplaneten wie dem Jupiter und dem Saturn in unserem Sonnensystem ähneln. „Proxima Centauri b könnte durchaus ein Gesteinsplanet sein“, vermutet Hatzes. Zu dieser Planetengruppe gehört auch unsere Erde.

Allerdings liegt die Umlaufbahn des Planeten zwanzig Mal näher an seinem Stern als der Abstand unserer Erde zur Sonne beträgt. In gerade einmal 11,2 Tagen saust Proxima Centauri b daher um sein Zentralgestirn, ein Jahr dauert dort also weniger als zwei Wochen. Trotz dieser großen Nähe sollten die Temperaturen auf dem Planeten ganz angenehm sein. Schließlich ist Proxima Centauri ein Roter Zwergstern, der nur etwa zwölf Prozent der Masse unserer Sonne hat und der daher deutlich weniger Energie abstrahlt.

Ist die Oberfläche unserer Sonne rund 5500 Grad Celsius heiß, dürfte dieser Wert bei Proxima Centauri nur bei moderateren 2780 Grad Celsius liegen. Daher heizt unser nächster Nachbar seinen Planeten genau so weit auf, dass flüssiges Wasser vorliegen kann. Proxima Centauri b liegt also genau in der Zone, in der Leben entstehen könnte.

Auf dem Planeten könnte es theoretisch Leben geben

Ob dort tatsächlich Organismen wie Bakterien, Pilze oder sogar höheres Leben existieren können, wissen die Forscher bisher nicht. So beobachten Astronomen auf Proxima Centauri viele Strahlungsausbrüche, den Planeten dürfte das 400-fache an Röntgenstrahlung wie die Erde erreichen. „Ob der Planet ein Magnetfeld hat, das einen großen Teil dieser Strahlung abschirmt, wissen wir nicht“, sagt Eigmüller. Existiert ein solcher Magnetschirm, würde er eine mögliche Atmosphäre und die Oberfläche sowie eventuell vorhandenes Leben vor der hohen Strahlung schützen.

Bis die Forscher Proxima Centauri b abbilden können, dauert es. Für die heutige Technik sei der Stern zu hell, der Planet ihm zu nah. Vielleicht erfahren die Wissenschaftler ja mehr über den Exo-Planeten, wenn sie das Licht untersuchen, das er von seiner Sonne erhält und wieder reflektiert. Immerhin ist der Planet so nah, dass moderne Instrumente dieses schwache Licht neben der viel stärkeren Strahlung seines Sterns messen können. Aus solchen Daten sehen die Forscher in einigen Jahren vielleicht auch, ob der Planet eine Atmosphäre hat, in der vielleicht sogar Wolken schweben und in der sich Substanzen nachweisen lassen, die normalerweise von lebenden Organismen produziert werden.