Auslandseinsätze können eine Karriere beschleunigen. Oder aber zerstören. Vor allem am Risiko der Rückkehr scheitern Auslands­einsätze häufig. Unternehmen können etwas dagegen tun.

Der Regenwald Südamerikas hat gigantische Ausmaße. Entlang des Amazonas erstreckt er sich über neun Staaten. Den größten Anteil hat Brasilien mit einer Landfläche, die größer ist als Westeuropa. Wo es viel Wald gibt, werden Motorsägen gebraucht. Deshalb hat Stihl schon Mitte der 1970er Jahre eine Fabrik für die Produktion von Kettensägen in Brasilien eröffnet. Heute setzt das Unternehmen etwa 90 Prozent seines Umsatzes im Ausland um und ist in vielen Ländern vertreten. Nach Brasilien, China und in die USA entsendet das Familienunternehmen aus Waiblingen regelmäßig Mitarbeiter. Aktuell hat Stihl rund 25 sogenannte Expatriates aus Deutschland entsendet.

 

Hartmut Fischer war in Brasilien. Fischer stammt aus Nordhessen und hat in Hannover Maschinenbau mit dem Schwerpunkt Verbrennungskraftmaschinen studiert. Damit passte er prächtig zu Stihl. Gleich nach dem Studium, das war 1986, fing er in der Vorentwicklung an. Er wurde Gruppenleiter, dann Abteilungsleiter im Versuch. Zu der Zeit, 1997, hatte Stihl ein Werk für die Zylinderfertigung im Süden Brasiliens eröffnet, in São Leopolde. 'Die Fertigung lief nicht rund, und ich wurde gefragt, ob ich für 15 Monate dorthin gehen wolle, um die Ergebnisse der Prozessoptimierung zu überprüfen.' Fischer wollte, und seine Frau ging mit. Aus 15 Monaten wurden vier Jahre.

Wer zu lange weg ist, kommt nur noch schwer unter

Der Maschinenbauingenieur wurde Leiter der Fertigung, und in Brasilien sind die beiden Töchter geboren. 2001 kam die Familie zurück nach Waiblingen. Fischer wurde Hauptabteilungsleiter Motorsägen-Konstruktion, seit einigen Jahren ist er Bereichsleiter Entwicklungsforschung und -service. Auslandseinsätze können Karrieren fördern. 'Sie können sie aber auch zerstören', sagt Jutta Boenig, Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Karriereberatung und Inhaberin einer Personalberatung in Überlingen am Bodensee. Wenn zum Beispiel der Auslandsaufenthalt zu lang war. 'Nach drei, maximal vier Jahren und regelmäßigem Kontakt ist eine Rückkehr meist unproblematisch.' Wer aber doppelt so lang weg ist, kommt nur noch schwer unter. Entweder weil kein passender Posten mehr für ihn da ist oder der Kandidat sich nicht mehr einfügen kann.

'Acht Jahre Dubai, mit tollem Haus und Pool, Personal und Privatschule für die Kinder, da tut sich so mancher schwer, nach Hause zu kommen und auf all die Annehmlichkeiten zu verzichten.' Boenig hat hochrangige Manager beraten, die im Ausland waren und nach ihrer Rückkehr keine Stelle mehr bekommen haben, weil sie nicht mehr in die Unternehmensstrategie gepasst haben oder schlichtweg vergessen wurden. 'Aus den Augen, aus dem Sinn: das kommt leider ganz häufig vor.' Nur wenige Unternehmen halten nach ihrer Erfahrung den notwendigen Kontakt zu ihren ausländischen Mitarbeitern. Und auch die selbst vergessen ebenso oft, wie wichtig regelmäßiges Netzwerken in der Zentrale ist. Boenig erlebt in ihrem Berufsalltag, dass potenzielle Auslandskandidaten zunehmend Wert darauf legen, ihre Rückkehr zu regeln, bevor sie gehen. 'Vereinbarungen darüber zu treffen, ist zurzeit völlig unüblich. Aber sie sind wichtig, damit Mitarbeiter überhaupt gehen, weil die wenigsten Abenteurer sind nach dem Motto: mal schauen, was danach kommt.'

Die Mentoren stehen weit oben in der Hierarchie

Stihl regelt die Rückkehr. Das Unternehmen vereinbart vertraglich mit all seinen Expats, dass sie anschließend eine Position bekommen, die ihrer bisherigen entspricht. Der Hersteller von Flugzeugturbinen MTU, München, achtet penibel darauf, dass keiner der etwa 80 Expats vergessen wird. Und das aus gutem Grund: 'Aus einer Befragung unter Expats und deren Vorgesetzten wissen wir, dass die Reintegration das größte wahrgenommene Risiko des Auslandseinsatzes ist', sagt Personalleiter Hans-Peter Kleitsch. Die Mitarbeiter haben vor zweierlei Dingen Angst: Wo lande ich nach der Zeit? Und erleiden die Kinder einen Nachteil durch den Auslandsaufenthalt, etwa durch die andere Sprache oder Lebensumstände? 'Beide Fragen können wir nicht beantworten, aber den Leuten dennoch ihre Angst nehmen.' MTU setzt hochrangige Mentoren ein, die gemeinsam mit Mitarbeitern aus der Personalabteilung den Expat betreuen.

Die Mentoren stehen weit oben in der Hierarchie, sind Centerleiter oder Vorstandsmitglied und kommen aus dem gleichen Fachbereich wie der Expat. Mindestens viermal jährlich müssen die beiden mindestens telefonieren. 'E-Mail oder SMS akzeptieren wir nicht, um Kontakt zu halten.' Und wenn die Expats in der Unternehmenszentrale sind, müssen sie bei ihrem Expat-Betreuer in der Personalbetreuung vorbeischauen. 'Wir wollen keinen der Expats verlieren, das sind sehr wichtige Mitarbeiter für uns.' Sechs Monate vor der Rückkehr gleichen Personaler offene Stellen mit dem Profil der Expats ab, Mentor und Mentee tauschen sich aus, 'und bislang haben wir immer einen passenden Job für unsere Expats gefunden'.

Die vertragliche Regelung gab Fischer von Stihl zwar Sicherheit, aber sie war nicht ausschlaggebend, dass er nach Brasilien ging. 'Ich wollte beruflich etwas Neues machen, und dabei sollten mir meine Auslandserfahrungen nutzen.' Welche das sein werden, wusste er vorher logischerweise nicht. Für ihn hat sich in Brasilien vieles erst ergeben. Als er ein halbes Jahr dort war, wurde in Deutschland umstrukturiert - und sein alter Job war weg. Fischer hatte Mut und wurde reichlich belohnt. Ab September 2015 leitet er das Magnesium-Druckgusswerk in Prümm in der Eifel.