Am Freitag geht Mark Zuckerbergs Erfindung Facebook an die Börse. Was ihm Geld bedeutet, wissen wir nicht. Aber wir kennen seinen Hund – ein Porträt als Facebook-Chronik.

Stuttgart - Natürlich trägt er seinen Kapuzenpulli. Es sind noch knapp zwei Wochen bis zum wichtigsten Börsengang des Jahrzehnts, und in New York beginnt die sogenannte Facebook-Roadshow. In einem Pulk aus Anzugträgern, Sicherheitsleuten und Reportern bahnt sich Mark Zuckerberg seinen Weg zum Sheraton Hotel in der Nähe der Wall Street. Wäre dies ein Film, jeder würde den Auftritt als vom Regisseur übertrieben ablehnen. Ein bisschen kauzig sein, geschenkt, aber sollte sich der Facebook-Chef nicht etwas anderes anziehen, wenn er die internationale Finanzwelt dazu animieren will, ein paar Milliarden in seine Erfindung zu investieren? Zuckerberg ist das egal, so ein Börsengang ist kein zwingender Grund für ihn, auf Pulli, Jeans und Turnschuhe zu verzichten. Gut möglich, dass er es einfach gern bequem hat, aber es ist auch seine Haltung. Mark Zuckerberg wird nur am Auftakt der Roadshow teilnehmen, den Rest überlässt er seinem Finanzchef David Eberman und Geschäftsführerin Sheryl Sandberg. Bei öffentlichen Auftritten ist der 28-Jährige oft unsicher und schüchtern. Ungewöhnlich für jemanden, der an der Spitze eines Unternehmens steht, das am Freitag 100 Milliarden Dollar wert sein kann.

 

Zuckerberg hat den Börsengang nicht gewollt. Vielmehr war er dazu gezwungen, weil Facebook jetzt mehr als 500 Anteilseigner hat. Hinter dem Zögern stecken vor allem zwei Dinge. Erstens: eine tiefe Skepsis im kalifornischen Silicon Valley gegenüber New Yorker Investoren, die sich in der Vergangenheit mehr für Rendite als für Erfindungen interessierten. Zweitens: sein Hang zur Kontrolle. Auch nach dem Börsengang wird Zuckerberg deshalb 57 Prozent der Stimmrechte besitzen.

Oktober 2011: „Steve, thank you“

Dass ein Technologieunternehmen so eng mit seinem Gründer assoziiert wird wie Zuckerberg mit Facebook, hat es zuletzt bei Apple und Steve Jobs gegeben. Als Apple, heute das wertvollste Unternehmen der Welt, am 12. Dezember 1980 an die Börse ging, war Jobs gerade einmal 25 Jahre alt, drei Jahre jünger als Zuckerberg heute. Doch Facebooks Aufstieg ist rasanter. Der Like-Button hat die Welt erobert wie das iPhone, Jobs trug schwarzen Rollkragenpullover, Zuckerberg das Kapuzenmodell, und die Diskussion über Produktionsbedingungen in asiatischen Apple-Fabriken hat ähnlich viel Kritik hervorgerufen wie die Datenschutzbestimmungen, die Facebook so launenhaft ändert wie ein autoritäres Regime Gesetze. Man muss sich das klarmachen: Wenn Zuckerberg an den Spielregeln des sozialen Netzwerks schraubt, betrifft das heute 901 Millionen Menschen, für die Facebook längst so vertraut geworden ist wie das alte Familienalbum.

Keine Frage: Zuckerberg hat die Welt verändert und erweckt dabei nicht den Eindruck, als würde er sich dabei in Zukunft von Aktionären hineinreden lassen. Als Facebook im April die Foto-App Instagram für eine Milliarde Dollar kaufte, fädelte Zuckerberg den Deal quasi im Alleingang ein. Sein Verwaltungsrat wurde darüber lediglich in Kenntnis gesetzt – die ganze Welt erfuhr es über Zuckerbergs Facebook-Eintrag vom 9. April: „Ich freue mich, dass wir uns darauf geeinigt haben, Instagram zu kaufen und dass sein talentiertes Team zu Facebook kommt.“

Februar 2011: „Last night’s dinner with the president“

Scheinbare Transparenz ist so etwas wie die DNS von Facebook und es ist Zuckerbergs etwas krude Vorstellung von Privatsphäre. Aus dieser Idee heraus ist Facebook zur größten Selbstdarstellungsmaschine der Welt geworden. Kein Wunder, dass Politiker wie Barack Obama die Nähe zu Facebook suchen. Als der US-Präsident zu einer Diskussionsveranstaltung in die Firmenzentrale in Palo Alto kam, gelang ihm das Unglaubliche: „Mein Name ist Barack Obama, und ich bin derjenige, der Mark dazu gebracht hat, einen Anzug und eine Krawatte zu tragen.“

Dezember 2010: „This is a real honor“

Facebook ist längst ein Instrument politischer Kommunikation. Aber das Unternehmen macht auch selbst Politik. In allen Machtzentren von Washington über Brüssel bis Berlin hat Facebook Lobbyisten installiert. Sie sollen wohl darauf achten, dass der Umgang mit Daten, auf denen Facebooks Geschäftsmodell beruht, von der Politik nicht allzu sehr eingeschränkt wird. Nicht zufällig hat Facebook seinen europäischen Sitz in Irland. Deutsche Datenschutzgesetze sind strenger.

Und so sieht unsere Zuckerberg-Biografie im Facebook-Stil aus

Chef ohne eigenes Büro

In welche Richtung Facebook geht, hing bislang fast vollständig von einem Mann unter 30 ab, der zwar ein milliardenschweres Unternehmen führt, aber kein eigenes Büro hat. Wir wissen nicht, was für Mark Zuckerberg Geld bedeutet. Aber wir kennen seinen Hund aus der Facebook-Chronik. Zuckerberg ist der Gegenentwurf zu den Aldi-Brüdern, deren aktuellste Fotos jahrzehntealt sind. Auf ein neues Zuckerberg-Bild müssen wir selten länger als zwei Tage warten. Und sei es nur aus Versehen wie im Dezember 2011, als durch einen Softwarefehler bei Facebook Fotos öffentlich wurden, die eigentlich niemand sehen sollte: Zuckerberg mit einem toten Huhn in der Hand zum Beispiel – nachdem er einige Monate zuvor erklärte, kein Tier essen zu wollen, das er nicht selbst getötet hatte. Diese gefühlte Nähe ist typisch für Facebook – und wenn wir ehrlich sind, geht es uns nicht nur mit Mark Zuckerberg so.

September 2006: Der Nachrichtenstrom wird eingeführt

Mit Facebook hat Mark Zuckerberg auch unsere Sprache verändert. Bekannte sind Freunde, wir liken, posten, sharen. Das Prinzip des Nachrichtenstroms, das Facebook im Dezember 2006 einführte und das bis dahin bestenfalls Nachrichtenjournalisten vom sogenannten Ticker bekannt war, prägt die Art und Weise, wie wir Neuigkeiten wahrnehmen: als permanenten Strom. Medien, Unternehmen und jeder Einzelne, der auf Facebook aktiv ist, spielen dieses Spiel um Aufmerksamkeit mit. Der Nachrichtenstrom ist inzwischen so breit geworden, das Facebook in Neuseeland sogar mit bezahlten Einträgen experimentiert. Gegen Geld sollen einzelne Postings hervorgehoben werden können – ein gefährliches Spiel für Facebook.

September 2004: Die Pinnwand wird eingeführt

Bis jetzt ist, alles, was wir auf Facebook tun, kostenlos, finanziert durch Werbung. Das funktioniert nur, weil die Nutzer dem Netzwerk und ihrem Erfinder vertrauen. Jeden Tag gibt es auf Facebook 3,2 Milliarden Klicks auf den „Gefällt mir“-Knopf und Kommentare. Und wenn Mark Zuckerberg bei einem seiner seltenen öffentlichen Auftritte mit leuchtenden Augen davon erzählt, wie groß die Serverfarmen sind, die sein Unternehmen am Polarkreis in Schweden errichtet hat, um all diese Daten zu verarbeiten, kann man ahnen, dass ihm das gigantische Wachstum des Netzwerks möglicherweise mehr interessiert, als die Umsätze, die das Unternehmen mit Kunden macht. Der Druck, Geld zu verdienen, dürfte mit dem Börsengang aber gewaltig steigen. Es wird spannend zu sehen sein, wie Zuckerberg damit umgeht.

Februar 2004: Mark Zuckerberg hat bei Facebook angefangen

Wäre die Facebook-Geschichte nicht schon verfilmt („The Social Network“), man müsste es dringend nachholen. Es ist gerade einmal acht Jahre her, dass sich Mark Zuckerberg mit seinen Kommilitonen Facebook im Wohnheim der Eliteuni Harvard ausgedacht hat und sich wenig später zum Chef erklärte. Auf Facebook liest sich das so: „Mark Zuckerberg hat bei Facebook angefangen.“ Sein missionarischer Eifer, soziale Beziehungen, Musikhören, Kochen und Reisen online abzubilden, hat Facebook groß gemacht. Am Freitag wird er nicht nach New York fliegen, um die Schlussglocke der Börse nach dem ersten Handelstag zu läuten, sondern in der Facebook-Zentrale bleiben. Und wahrscheinlich wird er dabei einen Kapuzenpullover tragen.

Und so sieht unsere Zuckerberg-Biografie im Facebook-Stil aus