In den Staaten des früheren Jugoslawiens ruft eine Website Empörung hervor, auf der freizügige Selbstporträts von Schülerinnen zu sehen sind – ohne deren Einverständnis. Die betroffenen Schülerinnen sind verzweifelt, ihre Eltern entsetzt.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Belgrad - Ein Klick mit der Fototaste des Mobiltelefons genügt: Das sexy Selfie für das eigene Facebook-Profil ist unter Jugendlichen populär. Doch die anzüglichen Selbstaufnahmen bergen Tücken. Der Missbrauch der arglos aufgenommenen Fotos des eigenen Körpers ist in der keineswegs abgeschotteten Facebook-Welt kaum zu verhindern. So sorgt derzeit in den Staaten des früheren Jugoslawiens die von einem anonymen kroatischen Nutzer angelegte Site „Die größten Schlampen der Haupt- und Mittelschulen“ für Empörung. Mit Namen und Adressen wurden die Fotos von Hunderten minderjähriger Mädchen aus Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Serbien ins Netz gestellt.

 

Die betroffenen Schülerinnen sind verzweifelt, ihre Eltern entsetzt. Ihre 14-jährige Tochter habe einige „freizügige“ Fotos für ihr Facebook-Profil aufgenommen, das nur einem ausgewählten Freundeskreis zugänglich gewesen sei, klagt eine Mutter aus Belgrad in der serbischen Zeitung „Blic“. Doch jemand habe die Bilder heruntergeladen und der ganzen Welt zugänglich gemacht: „Nun sitzt sie im Zimmer und weint den ganzen Tag.“ Angst habe sie, dass ihr Kind über das „Trauma“ nicht hinweg kommen und Internet-Voyeure die Tochter belästigen könnten: „Mit anderen betroffenen Eltern haben wir an Facebook geschrieben. Aber offenbar kann die Site nicht verboten werden.“

Rechtliche Schritte gegen die Macher sind wohl nicht möglich

Kriminologen aus der Region glauben, dass gegen die anonymen Macher der Site kaum vorzugehen sei, da die Mädchen die Bilder ihrer halbnackten Körper selbst hochgeladen hätten. Ein strafwürdiger Tatbestand liege nur vor, wenn jemand die Bilder zu verkaufen oder zur Illustrierung von Annoncen für sexuelle Dienstleistungen zu nutzen suche. Bosnische Hacker behaupteten gegenüber der kroatischen Zeitung „Jutarnji List“, den unter dem falschen Namen „Josip M.“ gemeldeten Schöpfer der Site enttarnt zu haben: Es handle sich um einen 16jährigen Schüler aus Zagreb. Dieser habe sich gebrüstet, dass ihm täglich Hunderte neuer Fotos zugeschickt würden.

Die aufgeregte Berichterstattung über die „Pädophilen-Website“ hat deren Popularität noch gemehrt. In wenigen Tagen wurde sie von über 60 000 Facebook-Nutzern besucht. Zwischenzeitlich verschwand die Site zwar vom Netz, um mit fast demselben Inhalt wenig später unter anderem Namen neu zu erscheinen.

Facebook als „größter Viehmarkt der Welt“?

Für „scheinheilig“ hält ein kroatischer Kolumnist die Aufregung über die Site, die den Medien in der österlichen „Saure-Gurken-Zeit“ genau recht gekommen sei. Die eigentliche „Schlampe“ sei die Gesellschaft. Während sich die Kommunikation vieler Eltern mit ihren Schützlingen oft nur noch auf hilflose Flüche beschränke, könnten Jugendliche schon mit zwei Klicks in den Internetwelten der Pornografie oder auf den der Seiten ihrer Hollywood-Idole erfahren, dass „der Weg zum Erfolg über das Bett, die Pistole oder über beides“ führe. Der Körperkult sei allgegenwärtig – und deswegen werde so viel Mühe für die Selbstpräsentation auf Facebook investiert: dem „größten Viehmarkt der Welt“.