Die sozialen Netzwerke werden von Politikern auch im Südwesten immer stärker genutzt. Das birgt aber auch Gefahren – wie nicht erst der Fall Daniel Rousta zeigt.

Stuttgart - In der Politik ist es auch nicht anders als im richtigen Leben. Es gibt Leute, die kennen sich aus mit dem Internet und den sozialen Netzwerken. Andere nicht. Die einen bespielen Facebook und Twitter, die anderen telefonieren oder schreiben, wenn es gar nicht anders geht, eine Mail. Sofern sie auf der Karriereleiter weit genug gekommen sind, haben Politiker auch ihre Mitarbeiter, die Tweets für sie absetzen oder Nachrichten via Facebook posten.

 

Alexander Bonde zum Beispiel gehört zu den Leuten, die gemeinhin als internetaffin gelten. Der Agrarminister von den Grünen klimpert mit Leidenschaft auf den Tastaturen seiner diversen elektronischen Kommunikationsinstrumente, die es ihm am Freitag um die Mittagszeit etwa erlaubten, folgende Meldung zu twittern: „Besprechung mit Mitgliedern des Landtagsausschusses für Finanzen und Wirtschaft zu Breitbandausbau in Baden-Württemberg.“

Facebook gehört zum Standard

In die Abendnachrichten hat es der agile Grünen-Politiker damit nicht geschafft, aber womöglich fand sich in den Weiten des ländlichen Raums ja ein Bürgermeister, der sich zum Retweeten aufraffte, vielleicht mit der Botschaft: „Dranbleiben, Minister! Und nicht kleinkriegen lassen von den parlamentarischen Pfennigfuchsern.“ Oder ist diese Botschaft schon zu lang für den Twitterdienst?

Bei Facebook dabei zu sein gehört für Politiker inzwischen schon zum Standard. Manche erstellen einen offiziellen Facebook-Account, andere tummeln sich als Privatleute im Netz, manche sind privat und offiziell unterwegs. Über den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann heißt es im Staatsministerium, er habe einfach keine Zeit, um selbst zu posten. Seine offizielle Facebook-Seite wird, so ist dort zu lesen, von der nach dem Regierungswechsel eingerichteten Online-Redaktion des Staatsministeriums „administriert“. Anfragen und Kommentare der Facebook-Gemeinde werden von der Online-Redaktion beantwortet. In diesen Tagen finden sich auf der Seite viele schöne Fotos vom Besuch des Bundespräsidenten Joachim Gauck. Klar, dass ein Ministerpräsident zu viel um die Ohren hat, um noch selbst Meldungen abzusetzen. Andererseits studiert er dann und wann aber auch gerne mal das Neue Testament im griechischen Original, was selbst bei Kretschmann nicht schnell, schnell gehen dürfte. Menschen sind unterschiedlich, und sie setzen unterschiedliche Prioritäten. Das ist ja auch schön so.

Kretschmanns Sprecher Rudi Hoogvliet setzte sich unlängst in die Nesseln, als er vom Politischen Aschermittwoch der Grünen twitterte. Als Regierungssprecher aber kann er in offizieller Funktion nicht über eine Parteiveranstaltung berichten.

Datenschützer sind skeptisch

In der Berliner Landesvertretung überlegt man, inwieweit sich Facebook für bestimmte Dienstleistungen nutzen lässt. Zum Beispiel könnten Anmeldungen für Veranstaltungen über die Seite abgewickelt werden. Oder die Zimmerbestellung bei Aufenthalten in Berlin. Allerdings riet der Landesdatenschutzbeauftragte Jörg Klingbeil bei der Vorstellung seines jüngsten Jahresberichts zur Zurückhaltung. So sollten die öffentlichen Stellen im Land nur solche sozialen Netzwerke in ihre Internetauftritte einbinden, welche die geltenden Datenschutzstandards einhielten.

Für die Politiker ist die Facebook-Präsenz einfach zu verlockend. 90 Prozent Politik und zehn Prozent Unterhaltung, das sei ein gutes Verhältnis für den Auftritt, sagt ein Profi der politischen Kommunikation. Das Unterhaltsame, Menschliche stelle Nähe her. Über Twitter und Facebook erreicht die Politik Menschen, zu denen sie auf anderen Wegen nur noch schwer gelangt. Zudem ermöglichen die sozialen Netzwerke auch einen direkten Dialog, der von niemanden gestört wird, schon gar nicht von Journalisten.

Forum für Selbstdarsteller

Manchmal geht das aber auch schief. Wie bei Daniel Rousta, dem unglückseligen Spitzenbeamten im Stuttgarter Wirtschaftsministerium. Rechtlich gesehen durfte der Ministerialdirektor keinesfalls das große Landeswappen auf seiner privaten Facebook-Seite benutzen. Aber das wäre ihm wohl kaum zum Verhängnis geworden, wenn der SPD-Mann in seinen Einträgen etwas mehr Stil gezeigt hätte – und nicht diese Mischung aus Irrwitz und Selbstdarstellungswillen. Die Freidemokraten kann er mögen oder auch nicht, „Pisser“ aber geht nicht. Facebook, so sagt ein Kenner der sozialen Netzwerke, biete eine Bühne für die Selbstdarstellung. „Je geistreicher und ironischer man sich gibt, umso besser kommt man an.“ Es ist auch die Anonymität der Schreibsituation, die Entgleisungen wie jene von Rousta befördern. Den „Pisser“ einem Freidemokraten ins Gesicht zu schleudern, hätte er wohl nicht gewagt, auch nicht mitten im Ärger um die an der FDP gescheiterte Auffanggesellschaft für die Schlecker-Frauen.

Roustas Chef, Finanzminister Nils Schmid, ist übrigens ebenfalls auf Twitter unterwegs.