Woher kommt der als Islamkritik getarnte Rassismus? Welche Gründe gibt es für die Diskriminierung von Minderheiten? Solchen Fragen ging ein Fachtag in Waiblingen nach. Den Eröffnungsvortrag hielt der Vorurteilsforscher Wolfgang Benz.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Waiblingen - Was bedeutet antimuslimischer Rassismus für die pädagogische Arbeit? Dieser Frage ist am Mittwoch ein Fachtag im Waiblinger Kulturhaus Schwanen nachgegangen. Gekommen waren vor allem Mitarbeiter aus der Jugendarbeit, eingeladen vom Kreisjugendring und der Fachstelle Rechtsextremismus des Landkreises. Der Fachtag soll der Auftakt einer kontinuierlichen Auseinandersetzung mit dem Thema sein.

 

Wolfgang Benz, emeritierter Professor der Universität Berlin, ist ein Spezialist, wenn es um Hetze und Verschwörungstheorien geht. Von 1990 bis 2011 hat der Historiker und renommierte Vorurteilsforscher das Institut für Antisemitismusforschung an der TU Berlin geleitet. Er hielt den Eröffnungsvortrag, in dem er zeigte, inwieweit die Muster früherer rassistischer Ressentiments den heutigen gleichen, Islamophobie oder Vorurteile gegen Minderheiten wie Sinti und Roma.

„Man urteilt aus dem Bauch heraus“

„Feindbilder haben Konjunktur“, sagte Benz. Seit den Anschlägen des 11. September stehe der Islam im Fokus jener, die ihre Welt von allen Seiten bedroht sähen. „Es gibt eine weit verbreitete Neigung, zu glauben, man wisse, was der Islam ist.“ Tatsächlich stütze sich diese Vorstellung zu großen Teilen nicht auf Fakten, sondern auf Aussagen, die man nur vom Hörensagen her kenne. „Man urteilt aus dem Bauch heraus, was zwar falsch ist, aber nicht wirkungslos.“

Den Erfolg des rechtspopulistischen Bündnisses Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) führt Benz als ein Beispiel für den Erfolg solcher Simplifizierungen an. Pegida hat am Montag in Dresden 10 000 Demonstranten auf die Straße gebracht, die Gegendemonstration zählte 9000 Personen. Grobe Vereinfachungen, Vorurteile und eine Aufteilung in eine gute und eine schlechte Welt, seien eingängig. „Es geht immer um die Angst der Mehrheit, nicht um die Wirklichkeit der Minderheit.“ So entstehe das Gefühl einer latenten Bedrohung, die in Verschwörungstheorien münde. Seit Jahrhunderten existiere die Vorstellung, „die Juden“ hätten zu viel Einfluss in Staat und Gesellschaft. Muslimen werde unterstellt, sie wollten Dominanz über ganz Europa erreichen. „Und die Regierungen mit ihren multikulturellen Eliten ließen den Kampf gegen ihre eigenen Leute zu, mit dem Ziel, eine Art ,Eurabien’ zu schaffen.“

Irrationale Ängste vor „Eurabien“

Als „schrille Schreie der Demagogen“ bezeichnet Benz solchen blühenden Unsinn, der jedoch sehr wohl Anklang finde. Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ etwa wurde 2010 zu einem Bestseller. „Er behauptet, nur die Wahrheit zu sagen. Das dürfe man doch noch“, so Benz. Welche verheerende Auswirkungen solch plakative Aussagen haben können, zeige das Beispiel des Anschlags im norwegischen Oslo 2011. Das krude Weltbild jenes Mannes, der in einem Feriencamp 69 junge Menschen ermordete, setze sich aus allen möglichen Verschwörungstheorien, aber auch aus populistischen Meinungen zusammen. „Seine Stichwortgeber hat er ausdrücklich genannt. Verwirrte sind anfällig für Propaganda.“

Die Populisten verwiesen auf die Meinungsfreiheit. „Aber“, sagt Benz, „wir müssen unsere Worte wägen!“ Das gelte im Besonderen für die Medien, denen Benz im Umgang mit dem Thema Islam kein gutes Zeugnis ausstellt. Auch hier habe das Plakative, Vereinfachende Konjunktur. Vernichtend ist sein Urteil über die Bloggerszene. Hier werde hemmungslos gepöbelt.

„Es muss ein Dialog auf Augenhöhe geführt werden, um Inhalte zu transportieren“, meint Benz. „Es geht um Toleranz in der demokratischen Gesellschaft.“