Der Platz, auf dem die Fahrrad-Station am Möhringer Bahnhof steht, wurde 2014 an die Strenger-Gruppe und die Bietigheimer Wohnbau verkauft. Die Investoren wollen dort Wohnungen bauen. Deshalb muss die Fahrrad-Station wohl weichen.

Stuttgart - An der Decke hängen die Fahrräder akkurat in einer Reihe, darunter parken andere Velos dicht an dicht, vorne im Eingangsbereich wird gerade die Schaltung an einem Citybike nachjustiert. Alltag in der Fahrrad-Service-Station am Rand des Möhringer Bahnhofs. Aber einer, der gefährdet scheint. Der Platz, auf dem die Holzbaracke der Station steht, wurde 2014 vom Eigentümer Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) an die Strenger-Gruppe und die Bietigheimer Wohnbau verkauft. Die Investoren planen dort Wohnungen zu bauen. Eine Integration der Servicestation sei an diesem Standort nicht möglich, soll der neue Eigentümer gegenüber der Verwaltung erklärt haben.

 

Ohne Nähe zum Bahnhof macht die Station keinen Sinn

Das würde bedeuten, dass die Service-Station sich absehbar eine neue Bleibe suchen müsste. Und genau da beginnt das Problem. „Wir brauchen eben die unmittelbare Nähe zum Bahnhof, sonst macht die Station keinen Sinn“, sagt Uwe Lubojatzky, der sich als Schichtführer abwechselnd um die vier Stuttgarter Fahrrad-Service-Stationen des diakonischen Sozialunternehmens Neue Arbeit kümmert. Eine der zentralen Dienstleistungen der Station ist das Angebot eines überdachten und bewachten Fahrradparkplatzes. Ein wertvoller Service in einer Zeit, in der mehr Menschen auf dem Weg zur Arbeit auf eine Kombination aus Rad und öffentlichem Nahverkehr setzen. „Und ein Velo, das möglicherweise ein paar Tausend Euro gekostet hat, stellt man nicht so gerne einfach vor dem Bahnhof ab“, sagt dazu Martin Tertelmann, der Pressesprecher der Neuen Arbeit. Für diesen Parkservice, den sich jeder für 50 Cent am Tag, fünf Euro im Monat oder 50 Euro im Jahr sichern kann, ist Bahnhofsnähe aber die Voraussetzung. Deshalb wäre es für die Service-Station wichtig, ein Ausweichquartier ganz in der Nähe zu bekommen, wenn die neuen Eigentümer bauen. Wann das ist, weiß man bei der Neuen Arbeit nicht. „Wir haben im Moment noch einen ungekündigten Mietvertrag, mehr ist uns nicht bekannt“, sagt Tertelmann.

Der Gemeinderat unterstützt das Projekt

Unterstützung bekommt die Neue Arbeit von weiten Teilen des Gemeinderats. In einem Antrag vom 30. Juli fordern außer der CDU und der AfD alle im Gemeindeart vertretenen Parteien die Stadt auf, die Möglichkeit zu prüfen, ein anderes von dem Investor erworbenes Flächenstück östlich des Alten Bahnhofsgebäudes zu kaufen, um dort eventuell in Eigenregie zu bauen. Laut Antrag haben die Investoren angeboten, der Stadt das Gelände für eine geringeren Preis als sie bezahlt haben zu verkaufen.

Die große Unterstützung für die Neue Arbeit liegt vor allem an deren sozialem Auftrag. Die Vermietung von Parkraum für wertvolle Räder ist nur ein kleiner Teil der Arbeit. Die Service-Station ist auch ein Projekt, Langzeit-Arbeitslose wieder an eine regelmäßige Beschäftigung heranzuführen. Am Möhringer Bahnhof werden alte Fahrräder recycelt oder für Bedürftige wieder fachgerecht in Schuss gebracht.

Aus den Stationen gingen so schon etwa 300 wieder verkehrssicher gemachte Räder an Flüchtlinge. Begleitet von ausgebildeten Fahrradmonteuren werden auch Reparaturen an den Velos ausgeführt. Dazu kann man sich in der Service-Station auch Räder leihen.

Wie erfolgreich das Konzept sein kann hat zum Beispiel Uwe Lubojatzky selbst erfahren können. Der gelernte Schlosser kam 2008 als Langzeitarbeitsloser und damit als 1-Euro-Jobber in die Service-Station. „Für viele Arbeitslose ist es sehr wichtig, erst einmal wieder einer regelmäßigen Tagesablauf zu lernen“, sagt er. Bei ihm hat es geklappt, seit 2009 hat er eine feste Anstellung bei der Neuen Arbeit. Viele andere sollen möglichst seinen Weg in Stuttgarts ältester Service-Station nachgehen. Aber dazu braucht es eben für die Zukunft einen neuen Standort – in Bahnhofsnähe.