Bis 2020 sollen doppelt so viele Radler wie bisher unterwegs sein, wenn es nach Landesverkehrsminister Winfried Hermann geht. In Stuttgart sind in Sachen Radfahren aber viel grundlegendere Dinge anzugehen – etwa das Radwegenetz.

Stuttgart - Auch Verkehrsminister fahren heutzutage Fahrrad. Winfried Hermann (Grüne) und Umweltbürgermeister Matthias Hahn (SPD) haben am Mittwoch mit Stadträten und Mitgliedern der Verwaltung auf einer Radtour durch die Innenstadt die Qualität des Stuttgarter Radwegenetzes erkundet. „Es ist im Werden“, sagte Hermann am Ende der Rundfahrt. „Die passablen Radwegabschnitte sind länger geworden, ein Gesamtkonzept wird sichtbar.“ Es seien aber weitere Anstrengungen notwendig, um den umweltfreundlichen Radverkehr in den Städten zu steigern. Das Land strebe bis 2020 eine Verdoppelung des heutigen Anteils an, so der Verkehrsminister. Dazu könne auch das Elektrorad beitragen, dass sich großer Beliebtheit erfreue. Dessen Erfolg verlange eine gut ausgebaute Infrastruktur. „Dafür brauchen wir breitere Radwege“, so Hermann.

 

Zu Beginn der Tour hatte Bürgermeister Hahn den Minister im Rathaus darüber informiert, dass die „grün-rot-rote Mehrheit im Gemeinderat“ zuletzt deutlich neue Akzente bei der Fahrradförderung gesetzt habe. „Wir haben den Radverkehrsetat von 1,8 auf 2,4 Millionen Euro im Jahr erhöht. Im Jahr 2005 hätten jährlich nur 385 000 Euro zur Verfügung gestanden.

Derzeit werden die Hauptradrouten ausgebaut

„Da hat es einen richtigen Schlag getan“, freute sich Hahn. Zur Zeit würden vor allem wichtige Strecken durch die Stadt ausgebaut. „Wir konzentrieren uns gerade auf die Hauptradroute 1 zwischen Bad Cannstatt und Vaihingen“, erklärte der Bürgermeister. Zu den wichtigen Projekten zählen für die Stadt der Radweg auf der Brücke der Nord-Süd-Straße. Auch das Call-a-Bike-System der Bahn erfreue sich steigender Nutzerzahlen.

Nach dem Start am Rathaus konnte sich Hermann unterwegs auf dem Elektrofahrrad eine Reihe von Radwegprojekten der Landeshauptstadt begutachten. So ging es unter anderem durch die Fahrradstraße, die Eberhardstraße, in die Tübinger Straße, die zwischen der Querspange und der Sophienstraße bis zum Herbst zu einer so genannten Shared-Space-Zone umgebaut wird. In diesem Bereich gibt es dann keine Trennung zwischen Fahrbahnen, Rad-und Fußwegen mehr; auch Schilder sind die Ausnahme. Statt dessen gilt inzwischen Tempo 20 und alle Verkehrsteilnehmer müssen aufeinander Rücksicht nehmen. „In diesem Bereich sind auch viele Fahrradabstellplätze vorgesehen,“ informierte Claus Köhnlein, der Radfahrbeauftragte der Stadt. Mittelfristig solle die Tübinger Straße bis zum Marienplatz zu einer richtigen Fahrradstraße umgebaut werden.

„Kultur des fairen Fahrens“

Hermann hofft, dass die erste Mischverkehrsfläche in Baden-Württemberg dazu führt, dass die Verkehrsteilnehmer mehr Rücksicht aufeinander nehmen. „Wir brauchen eine Kultur des fairen Fahrens“, sagte er. Leider habe sich eine solche noch nicht durchgesetzt, vor allem das Verhältnis zwischen Radlern und Fußgängern sei verbesserungswürdig.

Zu einem besseren Verkehrsverhalten soll auch die zur Fahrradstraße umgewidmete Eberhardstraße zwischen Tagblattturm und Kaufhaus Breuninger beitragen. Doch noch immer wird das für den motorisierten Verkehr geltende Durchfahrverbot ab der Dornstraße in Richtung Tagblattturm von 70 Prozent der Autofahrer missachtet. Deshalb soll dort schon seit November 2011 ein zusätzliches Schild „Durchfahrverbot“ angebracht werden. „Das Schild kommt nun in zwei bis drei Wochen“, hieß es gestern.

Auf die lange Bank wurde auch die im Frühjahr vom Stuttgarter Gemeinderat beschlossene Öffnung der Hofener in Bad Cannstatt für Radfahrer an Samstagnachmittagen sowie an Sonn- und Feiertagen geschoben. Mit der Öffnung dürfte es in diesem Jahr nämlich nichts mehr werden. Deshalb müssen sich die Radler an landschaftlich reizvoller Stelle weiterhin einen schmalen Gehweg mit Fußgängern teilen.