Künftig sind bei Neubauten für jede Wohnung zwei geeignete, wettergeschützte Fahrrad-Stellplätze herzustellen. Die verbindlich vorgeschriebenen Fahrrad-Abstellplätze können auf nachzuweisende Pkw-Stellplätze angerechnet werden.

Stuttgart - Stuttgarts grüner OB Fritz Kuhn ist sich mit seinem Parteifreund Winfried Hermann im baden-württembergischen Verkehrsministerium in der Forderung einig, dem Fahrrad zu größerer Bedeutung zu verhelfen. Eine höhere Nutzung, so formuliert es Kuhn in seinem Papier „Nachhaltig mobil in Stuttgart“, trage zur Verbesserung der ökologischen Bilanz einer Stadt bei. Dem veränderten Mobilitätsverhalten wollen die Grünen durch den Ausbau der Abstellmöglichkeiten für Fahrräder Rechnung tragen.

 

Dies geschieht einerseits mittels einer Änderung der Landesbauordnung (LBO); am 23. Juli ist die Novelle der LBO zur Verbändeanhörung frei gegeben worden. Außerdem erarbeitet die Stadt eine an den Vorgaben des Landes orientierte „Fahrradabstellplatzordnung“. Schon jetzt konfrontiert die Stadt aber Investoren mit dem Entwurf. Nicht alle sind davon begeistert.

Das Problem sehen aber auch die Skeptiker: Bei den meisten Wohngebäuden fehlen vernünftige Möglichkeiten zum Abstellen von Fahrrädern. Sie stören im Treppenhaus oder im Hof, sind schutzlos Wetter und Dieben ausgesetzt.

Bisher reicht eine „leicht erreichbare Fläche“

Die Landesbauordnung beschränkt sich derzeit auf die Forderung nach leicht erreichbaren Flächen zum „dauerhaften Aufbewahren“ von Fahrrädern und Kinderwagen, die sich auch im Freien befinden dürfen – dies gilt zudem lediglich für Wohngebäude, also nicht für Häuser, in denen es auch Läden gibt.

Künftig gibt es eine Stellplatzpflicht. Es sind bei Neubauten für jede Wohnung zwei geeignete, wettergeschützte Fahrrad-Stellplätze herzustellen. Die Pflicht besteht nur dann nicht, „wenn solche nach Art, Größe oder Lage der Wohnung nicht erforderlich sind“. Die Stadt wird in ihrer Satzung, deren Erstellung wegen Personalmangels ausgesetzt ist, konkreter: Pro 35 Quadratmeter Wohnfläche sei ein Stellplatz nachzuweisen, sagt der Pressesprecher Sven Matis. Für eine 105 Quadratmeter große Wohnung sind also drei Fahrradabstellplätze zu bauen, unabhängig von der Zahl der Bewohner. Die Fahrradstadt Heidelberg empfiehlt Hausbesitzern Anlehnbügel mit einer Breite von bis zu einem Meter und einer Höhe von 85 Zentimetern. Die Abstände zwischen den Bügeln sollen 1,20 Meter betragen, um eine beidseitige Nutzung zu ermöglichen. Räder sind bis zu zwei Meter lang.

Zwang zum Kfz-Stellplatz könnte entfallen

Die Mehrkosten für den Bauherrn können durch den Wegfall von Kfz-Stellplätzen aufgefangen werden. Bis zu einem Viertel der vorgeschriebenen Kfz-Stellplätze – die LBO schreibt mindestens einen pro Wohnung vor – sollen durch Fahrradstellplätze ersetzt werden können. Und die Gemeinden werden ermächtigt, weniger als den einen notwendigen Kfz-Stellplatz pro Wohnung auszuweisen. Bisher war lediglich eine Erhöhung (auf zwei Parkplätze) möglich. „Die Satzung soll Angebote für Radfahrer schaffen, sie richtet sich nicht gegen Autofahrer“, betont Stadtsprecher Matis.

Und auch Baubürgermeister Matthias Hahn (SPD) hat deutlich gemacht, gerne weiter am Grundsatz festzuhalten, dass pro neuer Wohnung ein Kfz-Stellplatz vorgesehen wird. Die Lebenswirklichkeit sehe in vielen Bereichen der Stadt doch so aus, dass das Auto dazugehöre. Durch eine Reduzierung der Stellplätze ließen sich die Baupreise senken, dafür erhöhe sich aber der Parksuchverkehr. Das sagte er allerdings, bevor Kuhn die OB-Wahl gewonnen hatte.

Immobilienunternehmen kritisieren „Regulierungswut“

Kritik kommt vom Verband baden-württembergischer Wohnungs- und Immobilienunternehmen, der die „Regulierungswut“ geißelt und die Forderung nach diebstahlsicheren Fahrradabstellplätzen als weiteres Indiz sieht, „dass Bauen immer teurer wird“. Viele der neuen Vorschriften in der LBO seien nicht praktikabel. Ulrich Wecker, Geschäftsführer des Haus- und Grundbesitzervereins, hält größere Abstellflächen für Räder, Kinderwagen und Gehhilfen in Neubauten durchaus für sinnvoll; er wendet sich aber gegen eine Gängelung der Eigentümer. Jede Entscheidung sei ein Einzelfall, die dem Hausbesitzer überlassen bleiben solle. Eine Änderung des Mobilitätsverhaltens sei „nicht über Druck und Vorschriften“ zu erreichen.

Der CDU-Ratsfraktionschef Alexander Kotz hält die Regelung für Neubauten für sinnvoll, die Verrechnung mit Kfz-Stellplätzen aber für falsch. Die CDU wolle forcieren, dass mehr Autos vom öffentlichen Raum in die Tiefgaragen verlagert würden.