Bei der Stuttgarter Polizei sind seit Kurzem Beamte auf Pedelecs – Fahrrädern mit Elektromotor – unterwegs. In der Fußgängerzone und in den Grünanlagen sind sie wesentlich schneller vor Ort.

Stuttgart - Unterer Schlossgarten, am Rand eines Parkteichs: Plötzlich geht es schnell, sehr schnell. Zwei Radfahrer rauschen von links heran, zwei von der anderen Seite. Die Jugendlichen auf der Parkbank unter der gewaltigen Baumkrone erkennen zwar gerade noch, dass da Polizisten im Sattel sitzen, die sind aber so fix bei ihnen, dass der eilig weggeworfene Joint in der Wiese weiter vor sich hin kokelt und zudem einer der Beamten sagen kann, wer ihn zuletzt in der Hand hatte. Künstlerpech für die Kiffer, Alltag für die Mitglieder der ersten Pedelec-Staffel im Land, die seit Mitte Juli in Stuttgart unterwegs ist. Pedelecs sind Fahrräder mit einem Elektromotor zur Unterstützung, was bei den vielen Anstiegen in Stuttgart sinnvoll ist, auch weil „man sicher nicht von jedem verlangen kann, zum Beispiel zweimal am Tag von der Stadtmitte bergauf nach Degerloch zu radeln“, wie Peter Sitzler, ein Sprecher der Polizei, erklärt.

 

Die Mitglieder der Stuttgarter Staffel könnten das wohl schon, zumindest sehen sie alle fit aus und haben sich ja auch freiwillig zur Sattelarbeit gemeldet. Acht E-Bikes stehen in der Garage der Einsatzhundertschaft an der Pragstraße zur Verfügung, die radelnden Ordnungshüter sind zudem mit schnittiger blau-grauer Funktionskleidung, blauen Helmen und höchst amtlichen Sonnenbrillen ausgestattet. Das ganze Set kostete pro Beamten 715 Euro. Die Aufschrift „Polizei“ ist auf den Trikots nur dezent angebracht, am Fahrrad fehlt sie komplett, was durchaus im Sinne des Erfinders ist. Muss ja nicht jeder sofort erkennen, wer da auf einen zurollt. Im Alltag kann das dann auch schon mal heiter werden. Mark Gracher, der Leiter der Fahrradstaffel, erinnert sich: „Neulich hat uns einer gefragt: ,Sind sie von der Post?’“

Konkurrenzlose Beschleunigung

Sind sie nicht, auch wenn manchmal im Sattel ordentlich die Post abgeht, wenn zum Beispiel die schnelle Truppe bei einem Drogendeal eingreift und die Verdächtigen wegrennen oder ein Kaufhausdetektiv um Hilfe bei der Verfolgung eines Schuhdiebes bittet. Gerade mitten in der Stadt ist ein E-Bike in puncto Wendigkeit und Beschleunigung konkurrenzlos, da geht es dann auch mal schneller, als die Polizei erlaubt - zumindest in Wohngebieten. Die Jugendlichen mit dem Joint haben es deshalb wohl erst gar nicht versucht. Der Rest ist Routine. Personalien aufnehmen, Taschenkontrolle, alles schriftlich festhalten, Platzverweis aussprechen und weiter geht’s.

Begonnen hat die Streife zwei Stunden zuvor in der Dienstelle der Einsatzhundertschaft an der Pragstraße. Normal fahren die Beamten zu zweit oder zu viert; wenn sie zu einem Einsatz angefordert werden, können es auch mehr sein. Bei einer normalen Streife geht es über die Pragstraße direkt in den Rosenteinpark. An der Wilhelma vorbei führt der Weg bergab Richtung Schlossgarten. Gerade dort ist das Fahrrad das ideale Gefährt. Zu Fuß dauerte die Streife viel zu lange, ein Auto fiele im Park zu sehr auf und würde auch die Spaziergänger verärgern. Auf dem Rad ist die Polizei mittendrin und eben auch dabei, wenn es schnell gehen muss.

Genau das ist auch der Zweck. Anders als in vielen Städten beschränken sich die Aufgaben der Stuttgarter E-Biker in Uniform nicht auf die Verkehrskontrolle anderer Radler. Das gehört auch dazu, aber am Rand. Die Stuttgarter Polizeiradler verstehen sich als Streife wie jede andere, aber statt zu Fuß oder im Auto eben auf dem E-Bike. Das Spektrum ist weit, reicht von Einsätzen bei Drogendelikten bis zur Kontrollfahrt durch Wohngebiete, in denen eingebrochen wird. Andere Einsatzgebiete werden geprüft. „Vielleicht probieren wir es auch beim Fußball aus“, sagt Polizeikommissar Gracher.

Eine Streife wie jede andere

Heute ist es ruhig im Park. Ein paar Männer schlafen nahe dem Eckensee ihren Rausch aus, die Streife rollt ruhig weiter bis zum Schlossplatz. Die Passanten schauen interessiert, manche auch amüsiert: „Haben Sie kein Geld mehr für Autos?“, feixt ein junger Mann. Statt einer Antwort fährt Aurelia Hildebrandt plötzlich los – und ist schnell weg. E-Bikes beschleunigen rasant und ein paar Sekunden später bedeutet die Polizeimeisterin einer Radlerin, doch bitte in der Fußgängerzone abzusteigen, was sie auch tut, wenn auch ein wenig mürrisch. „Ich wollte mal etwas anderes machen und jetzt gefällt mir die Arbeit“, sagt sie, „und man ist vor allem schneller als zu Fuß.“

Wohl wahr – und das wissen jetzt auch die jungen Kiffer aus dem Park.