Die Stimmen in Fellbach nach einer Verkehrserziehung von Asylbewerbern werden immer lauter. Vor allem pensionierte Fahrlehrer und Polizisten, die ehrenamtlich eine Verkehrserziehung machen, werden benötigt.

Rems-Murr: Sascha Sauer (sas)

Fellbach - Er ist die erste Adresse in der Stadt, wenn es um Fahrräder für Flüchtlinge geht: Knut Matzen. Gemeinsam mit seinen vier Helfern hat er in den vergangenen 15 Monaten rund 470 gebrauchte Räder für den Straßenverkehr fit gemacht. Das heißt: Reifen flicken, Gangschaltung richten, Felgen aufziehen.

 

Häufige Beschwerden über das Fahrverhalten der Flüchtlinge

Die Flüchtlinge freuen sich natürlich über die Fahrräder, die sie für einen Preis von 10 Euro bekommen. Doch leider ist die Freude nicht überall groß. Immer wieder werden Beschwerden an Knut Matzen herangetragen, in denen das Fahrverhalten der Flüchtlinge bemängelt wird. Auch Knut Matzen sagt: „Die fahren kreuz und quer durch die Stadt.“ Die Asylbewerber ignorieren Verkehrsregeln, fahren auf dem Gehweg und entgegen der Einbahnstraße. Allerdings, so räumt Matzen ein: „Der Schwabe ist von Haus aus streng, was Fahrradregeln angeht.“ So sei es in vielen Großstädten etwa üblich, dass mit dem Rad auf dem Bürgersteig gefahren wird. Aber nicht in Fellbach. Deshalb bekommt Knut Matzen, der beim Freundeskreis für Flüchtlinge für das Reparieren der Fahrräder zuständig ist, ständig Klagen zu hören. Das ärgert ihn, weil er sich dafür nicht zuständig fühlt. Seiner Meinung nach bräuchte es eine Verkehrserziehung für Flüchtlinge – so wie im vergangenen Jahr bei der Asylunterkunft in der Bruckstraße, wo Fahrtrainings angeboten wurden.

Es braucht mehr Ehrenamtliche, die eine Verkehrserziehung machen

Das war aber eine einmalige Sache in Fellbach. „Das Polizeipräsidium Aalen, das Landratsamt Waiblingen, die Initiative Sicherer Landkreis und auch die Kreisverkehrswacht haben sich unisono von der Verkehrserziehung für Flüchtlinge verabschiedet“, sagt Knut Matzen. Weil es im Rems-Murr-Kreis nicht genügend Kapazitäten gibt, sieht er Handlungsbedarf: „Ich könnte mir vorstellen, dass ehemalige Fahrlehrer oder Polizeibeamte im Ruhestand diese Aufgabe ehrenamtlich übernehmen.“ Klaus Auer, der Polizeichef von Fellbach, findet diese Idee gut, denn wie viele deutsche Fahrradfahrer würden sich die Flüchtlinge oftmals nicht an die Verkehrsregeln halten. „Bei den Asylbewerbern passiert es häufig aus Unwissenheit.“ Allerdings glaubt Auer, dass die Idee von Matzen nur funktioniert, wenn es genügend Ehrenamtliche gibt, die die Flüchtlinge schulen. „Was die Präventionsabteilung der Polizei im Rems-Murr-Kreis allerdings möglich machen könnte, wäre eine Ausbildung von ehrenamtlichen Multiplikatoren, die dann ihrerseits wieder weitere Multiplikatoren für die Verkehrsschulung von Flüchtlingen ausbilden.“

In ihren Heimatländern ist der richtige Umgang mit Fahrrädern ein ganz anderer

Fabor Sipos vom Referat Prävention des Polizeipräsidiums Aalen hat bereits Erfahrung mit Multiplikatorenschulungen, die in Bopfingen und Rudersberg angeboten wurden. „Leider war die Resonanz seitens der Ehrenamtlichen sehr schlecht“, sagt der Polizeioberkommissar. Dabei sei es wichtig, dass die Flüchtlinge ein Fahrtraining erhalten: „Die Gepflogenheiten in ihren Ländern sind einfach anders.“ Deshalb gebe es im Rems-Murr-Kreis immer wieder Anfragen nach Fahrtrainings. „Es ist personell aber nicht machbar, dass wir vor Ort an den Asylunterkünften Fahrradtrainings anbieten“, erklärt Fabor Sipos. Das müssten die Ehrenamtlichen tun. Allerdings hat die Verkehrserziehung bereits ein Konzept erarbeitet. Das umfasst mehrere Module, in denen unter anderem Theorie und Motorik geschult werden. Außerdem wird mit den Flüchtlingen das sichere Fahrradfahren auf einem Übungsplatz trainiert. Polizeioberkommissar Sipos hat noch eine Empfehlung: „In Rudersberg bekommen die Flüchtlinge erst ein Fahrrad ausgehändigt, wenn sie nachweisen können, dass sie einen Fahrschulkurs bei den Multiplikatoren erfolgreich absolviert haben.“ Dies könnte bewirken, dass es weniger gefährliche Situationen im Straßenverkehr gibt.