Seit vergangenen Oktober ist die Stadt Stuttgart als Fairtrade-Stadt zertifiziert. In machen Bereichen hapert es allerdings noch an fairen Produkten – vor allem in der Gastronomie. Auch der Markt Open-Fair Stuttgart macht unter anderem auf diese Thematik aufmerksam.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Nachhaltiges Essen und fair gehandelte Produkte zu kaufen sind auch im Stuttgarter Kessel inzwischen längst ein Trend. Vermutlich auch deshalb herrscht am Samstagnachmittag bei der „9. Stuttgart Open Fair“ mit dem Motto „Festung EU oder solidarisches Europa?“ großer Andrang an den rund 60 Infoständen der Zivilgesellschaften. Greenpeace sind dabei, der Nabu, aber auch ortsansässige Einrichtungen wie der Öko-Supermarkt Plattsalat. „Wir wollen Menschen in der Region anregen, sich für globale Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung einzusetzen“, sagt Mitorganisator Johannes Lauterbach. Das macht die Vereinigung nicht nur an den Ständen, sondern mit einer Podiumsdiskussion oder mit einem Nachhaltigkeitsspaziergang zum Thema Kleidung oder einem konsumkritischen Rundgang durch die Stadt.

 

„Je mehr mitmachen, desto besser“

Auch die Stadt Stuttgart will im Bereich fairer Handel nicht hinterherhinken. Seit Oktober vergangenen Jahres ist Stuttgart offiziell als Fairtrade-Town ausgezeichnet. Für den Titel, welcher von dem Verein Transfair aus Köln verliehen wird, muss eine Stadt fünf Kriterien erfüllen: Unter anderem müssen in einer bestimmten Anzahl der Gaststätten im Stadtgebiet fair gehandelte Waren wie Kaffee, Tee, Zucker, Säfte oder ähnliches angeboten werden. In Stuttgart haben 18 von 23 Stadtbezirken das Siegel erhalten. Für Werner Wölfle, Bürgermeister für Allgemeine Verwaltung und Krankenhäuser, ist dies nicht genug. „Wir wollen uns ja nicht auf dem Siegel ausruhen. Wir wollen das weiter vorantreiben“, sagt Wölfle. Vor allem die Gastronomie hinkt in diesem Bereich hinterher. „Es gibt eben Gastronomen, welche die Zeichen der Zeit erkennen und manche tun das nicht“, sagt Wölfle. Aus diesem Grund hat der Bürgermeister Anfang März mit dem Hotel- und Gaststättenverband Dehoga Baden-Württemberg Kontakt aufgenommen. Von dem Verband verspricht er sich Unterstützung bei der Verbreitung des Fairtrade-Gedankens. „Je mehr mitmachen, desto besser“, findet Wölfle.

Beim Dehoga ist man laut Daniel Ohl, Pressesprecher des Dehoga Baden-Württemberg, guten Willens auf die Aktion hinzuweisen. Allerdings liegt die Entscheidung natürlich bei jedem Unternehmen selbst, sagt Ohl. „Aber wir informieren gerne darüber.“ Man halte als Verband das Ganze für eine gute Sache.

Viele Betriebe gehen das Thema aus Zeitgründen nicht an

Ein häufiges Argument von Gastronomenseite ist, dass sie ihre Produkte oft komplett von Großhändlern oder einem bestimmten Lieferservice beziehen. Oft sind es ökonomische Gründe, warum gastronomische Betriebe nicht bereit sind, einzelne Produkte selbst zuzukaufen. Auch sind zum Beispiel gerade beim Kaffeekauf einige an die Bedingungen des Herstellers der Kaffeemaschine gebunden. Oft ist es eine Frage der Flexibilität. Denn gerade die Bezugsbeziehungen zwischen Restaurants und Cafés mit Einkaufsgenossenschaften und Großhändlern lassen sich nicht von einem auf den anderen Tag umstellen. Viele Betriebe gehen deshalb das Thema aus Zeitgründen gar nicht erst an.

Auch im Stuttgarter Süden hängt die Zertifizierung als Fairtrade-Bezirk an den Gastronomen. Alle anderen Kriterien erfülle man, so Bezirksvorsteher Kellermann. Aus seiner Sicht scheitert es dort aber an bürokratischen Hürden. „Die meisten Gastronomen sind willig und aufgeschlossen“, weiß Kellermann. Eigentlich scheitere es nur an einem Zettel, der ausgefüllt werden müsse, gibt er zu.

„Die Stadt muss Vorbild sein“

Während die Stadtbezirke West und Ost das Siegel längst haben, der Süden daraufhin arbeitet, tut sich in Mitte und Nord in dieser Hinsicht eher wenig. In Mitte fehlt es nicht unbedingt am guten Willen – stehen doch die Grünen als größte Fraktion prinzipiell hinter dieser Sache – aber eher an der Zeit. Vorbereiten und organisieren müsste das ganze eine ehrenamtliche Arbeitsgruppe. Grundsätzlich hätte der Bezirk Mitte die fünf Kriterien sogar übererfüllt. Entsprechend der Einwohnerzahl müssten sich drei Gastronomen und fünf Läden bereit erklären, die Kriterien zu erfüllen. Im Prinzip wäre das relativ simpel. Denn jeder, der sich beteiligen möchte, muss nur ein Produkt vorweisen. Nur Kaffee mit dem Siegel Fairtrade würde zum Beispiel völlig genügen. Das wiederum halten einige des Gremiums in Mitte für zu oberflächlich. Im Bezirksbeirat Nord waren einst viele sogar der Meinung, das ganze Projekt sei Zeitverschwendung. Die Stadt Stuttgart will dennoch in der Verwaltung weiterhin mit gutem Beispiel vorangehen. Bei Beschaffungsaufträgen werde geprüft, ob nicht auch kleinere Hersteller oder Verkäufer beteiligt werden können, sagt Wölfle. So könnten dann zum Beispiel beim Kauf von Reinigungsmitteln auf ökologische Herkunft geachtet werden. Auch bei der Eröffnung des Olgäle hat Wölfle auf die Auswahl seiner Gastgeschenke geachtet. Er bringe nur fair gehandelten Kaffee, Tee und Mangoschnitten mit. „Die Stadt muss Vorbild sein“, findet er.