Fair und billig – so hätten Verbraucher ihre T-Shirts gerne. Weil beides zugleich nicht geht, entscheiden andere Faktoren über den Kauf, sagen Psychologen und führen den noch geringen Fairtrade-Absatz auch auf Mängel beim Angebot zurück.

Stuttgart - Einstürzende Textilfabriken in Bangladesch, Kinderarbeit auf Baumwollplantagen – menschliche Dramen erschüttern Kunden von Ketten wie H&M, Zara und Primark. Laut einer aktuellen Studie des Instituts You-Gov sind mehr als 80 Prozent der Deutschen faire Produktionsbedingungen in der Textilbranche inzwischen sehr oder eher wichtig. Genauso viele Menschen achten nach eigenen Aussagen beim Kleiderkauf aber auch auf den Preis – eine Haltung, die Konsumpsychologen durchaus einleuchtet.

 

„Wir sind alle schizophren“, sagt zum Beispiel Ines Imdahl, Expertin für tiefenpsychologische Markt- und Medienforschung in Köln. Menschen wollten häufig zwei Dinge gleichzeitig, die sich komplett widersprechen. Wir wollen essen und abnehmen, rauchen und damit aufhören, großzügig sein und gleichzeitig sparen. Laut Fairtrade Deutschland wurden 2013 hierzulande knapp vier Millionen Textilien mit Fairtrade-Siegel verkauft – ein verschwindend geringer Marktanteil. Das Zertifikat erhalten Händler, die Kleinbauern und Arbeiter auf Baumwollplantagen gerecht entlohnen. Tatsächlich hat also nur ein Bruchteil der deutschen Verbraucher auf faire Bedingungen geachtet. Freilich gibt es weitere Siegel, die soziale Standards garantieren, und jährlich steigt der Umsatz mit fairen Produkten. Trotzdem wird deutlich: Anspruch und Wirklichkeit klaffen beim Einkaufen weit auseinander.

Das Einkaufserlebnis zählt

Dass sich das Preisargument beim Einkaufsbummel letztlich durchsetze, sei nicht selbstverständlich, sagt Imdahl: „Wenn wir unmittelbar etwas davon haben, achten wir gar nicht so sehr auf den Preis.“ An der Kasse aber ist Bangladesch ziemlich weit weg. Stattdessen zählt das Einkaufserlebnis. Für den Preis eines fair produzierten T-Shirts kann man bei Primark ein Outfit für das Büro, eines für Zuhause und eines für den Kinobesuch kaufen.

Das ist verführerisch, vor allem, wenn das Geld knapp ist. „Die meisten anderen Menschen wollen vor allem schick, modisch und heutzutage auch ein bisschen standardisiert aussehen“, sagt Imdahl. Ein Bedürfnis, das von fairen Anbietern bis jetzt nicht ausreichend befriedigt werde. „Ich will mich in einem Kaufhaus komplett einkleiden und nicht ewig suchen“, sagt die Psychologin, die sich selbst für eher mode- als preisbewusst hält und sich nach eigenen Angaben auch nach fair gehandelter Kleidung umsieht. Doch mit diesen Ansprüchen habe sie es selbst in Großstädten schwer. Fair Shoppen mache vielerorts einfach keinen Spaß.

Auch Georg Felser, der an der Hochschule Harz zur Markt- und Konsumpsychologie forscht, sieht das mangelnde Angebot als Problem. Die meisten Menschen fühlten sich besser, wenn sie sich selbst für großzügig hielten und wären dafür bereit, mehr zu zahlen. „Für das reine Gewissen reicht jedoch die gute Absicht“, sagt Felser. Der Kunde, der ein rotes T-Shirt sucht, aber nur blaue Shirts mit Fairtrade-Siegel findet, ist auch zufrieden, wenn er das rote kauft. Das gibt ihm das Gefühl, er habe sich ausreichend engagiert. Ähnlich kann es gehen, wenn sich der Verbraucher im Siegelwald nicht zurechtfindet.

Dass Konsumenten mehr zahlen, wenn die Produkte attraktiv sind, verdeutlicht Ines Imdahl mit einem Blick in die Lebensmittelbranche. „Wenn die faire Banane neben der unfairen liegt und auch noch leckerer aussieht, habe auch ich einen unmittelbaren Vorteil.“ Außerdem gebe es immer mehr Biomärkte, in denen das Einkaufen Freude mache, sagt sie. Und noch etwas komme dem Kunden im Supermarkt entgegen: Er kann mit einzelnen Produkten sein Gewissen befriedigen.

Dann funktioniere die Psyche wie beim Spenden, sagt Felser: „Ich habe gerade etwas Gutes getan, da muss ich das an anderer Stelle nicht gleich wieder tun.“ So kauft jeder ein bisschen etwas Faires und schafft sich eine Menge Sorgen aus dem Kopf. Das gibt das Kleidungsangebot noch nicht her. „Da müssen sich die Anbieter auch mal an die eigene Nase fassen“, sagt Imdahl.