Uli Hoeneß akzeptiert das Urteil wegen Steuerhinterziehung und geht ins Gefängnis. Seine Ämter beim FC Bayern legt er nieder. Neuer Präsident soll Karl Hopfner werden.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - Angewandte Schizophrenie und praktizierte Scheinheiligkeit gehören zum Wesenskern der „Bild“-Zeitung, aber im Fall Hoeneß schlägt sie sich selbst. Wurde am Tag der Urteilsverkündung noch in Gangsta-Rap-Manier, Marke Bushido, „Verknackt ihn!“ gefordert – eine bisher beispiellose publizistische Vorverurteilung und pure Hetze – , wollte das Blatt am Freitag, rückblickend auf den Talkshow-Abend zuvor und nun wiederum arg mitfühlend, eine „Hatz auf Hoeneß“ registriert haben – bei „Beckmann“ und „Maybrit Illner“ . Das Format „Markus Lanz“ wurde ausgeklammert. Dort saß der stellvertretende „Bild“-Chefredakteur und Sportchef Alfred Draxler und drückte, auf Abstand bedacht, leicht panisch den Rücken durch, als man ihn mit einem Bild konfrontierte: Draxler mit Hoeneß am Arm auf dem Golfplatz: Duz-Buddies, versteht sich.

 

Draxler wird jetzt schnell wieder näher heranrücken, denn einer wie er muss schließlich das erste Foto haben vom Haftgefangenen Uli Hoeneß, wie der, ausgerechnet in Adolf Hitlers Gefängnis womöglich, in Landsberg am Lech, das erste Mal zum Hofgang aufbricht. Das kann noch ein paar Wochen dauern – und am Ende wird es vielleicht doch München-Stadelheim. Uli Hoeneß jedenfalls ist willens und macht das mit einem kurz nach zehn Uhr am Freitagmorgen veröffentlichten persönlichen Schreiben deutlich (siehe neben stehender Wortlaut), die vom Münchner Landgericht II verhängte, dreieinhalbjährige Gefängnisstrafe zu akzeptieren und anzutreten.

Hoeneß scheint in Umrissen sein Format wiederzufinden

Das Schreiben spiegelt Hoeneß‘ Sprache wider, wie sie ist, wenn er formell und in solchen Momenten auch immer pathetisch wird. Es ist ein bisschen dick aufgetragen von „Anstand, Haltung und persönlicher Achtung“ die Rede. Andererseits scheint Hoeneß zumindest in Umrissen verloren gegangenes Format wiederzufinden.

Die Gründe für den Schwenk, nachdem seine Anwälte bereits angekündigt hatten, in Revision gehen zu wollen, sind wohl vielfältiger Natur: mit Respekt nimmt man zunächst zur Kenntnis, dass Hoeneß sein Verfahren nicht weiter prolongieren will und sich dem Urteil stellt. Doch die allbekannten Fragen bleiben: wie krank musste einer sein, um Geld tatsächlich wie bei „Monopoly“ aufs Spiel zu setzen? Und welches Interesse hatte beispielsweise die Firma Adidas, den Zocker Hoeneß nach diversen Pleiten mit frischem „Spielgeld“ zu versorgen? Manches, hofft wohl auch Hoeneß, wird man nie so genau erfahren.

Adidas-Chef Herbert Hainer leitet den Bayern-Aufsichtsrat

Der Sportartikelhersteller Adidas allerdings kommt am Freitag, nachdem Uli Hoeneß alle seine Ämter beim FC Bayern niedergelegt hat, unmittelbar wieder ins Gespräch, weil der Aufsichtsrat der FC Bayern AG den seit 2001 als Adidas-Chef amtierenden Herbert Hainer „bis auf Weiteres“ zum neuen Vorsitzenden bestimmt. Zum Aufsichtsrat gehören Adidas und der Autohersteller Audi, die beide mit 8,33 Prozent an der FC Bayern AG beteiligt sind. Der seit Kurzem mit den gleichen Anteilen ausgestattete Versicherungskonzern Allianz – Hoeneß‘ vorläufig letzter Coup für den FC Bayern – hat keinen Sitz im Aufsichtsrat. Immerhin leistete sich ihr Sprecher einen knappen Kommentar zu Uli Hoeneß‘ Entscheidung: „Wir haben großen Respekt“, hieß es. Der Adidas-Chef und Niederbayer Hainer indes kann nur eine Notlösung sein, denn er hat ja seine eigene weltumspannende Firma zu führen. Die Personalie macht deutlich, dass der FC Bayern – ebenso wie der angeklagte Hoeneß – ziemlich lange in einer Art Schockstarre verharrt ist.

Nicht besser stehen die Dinge am trainingsfreien Freitag an der Säbener Straße, was den vakanten Job des Präsidenten angeht: Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende kommt nicht nur wegen Ämterhäufung, sondern auch schon deswegen nicht infrage, weil er nach einem Zollvergehen mit diversen undeklarierten Uhren angeklagt wurde und rechtskräftig verurteilt worden ist. Karl Hopfner wiederum, jahrelang Finanzvorstand des FC Bayern und ein grundsolider Mann, soweit man weiß, hat sich zuletzt aus gesundheitlichen Gründen von diesem Job zurückgezogen und ohnehin die Öffentlichkeit nie sehr geliebt, sondern zwischen Rummenigge und Hoeneß lieber in Ruhe eine geraucht, wenn gespielt wurde.

Für den Präsidentenjob bleibt Lichtgestalt Beckenbauer

Dass einer öffentlich Auftritte souverän absolvieren kann, ist freilich die Grundvoraussetzung für den Präsidentenjob beim FC Bayern München. Allerdings sollte einem die Öffentlichkeit auch ein klein wenig Sympathie entgegenbringen, weswegen Matthias Sammer, immerhin Sportvorstand, sofort ausscheidet, weil er selbst für manch glühenden Bayern-Fan ein rotes Tuch ist. Auch der ehemalige bayrische Ministerpräsident Edmund Stoiber, der mehr Freunde – zumindest im Vergleich mit Sammer – und das absolute „Bayern-Gen“ (Hoeneß) hat, scheint am Freitag nicht mehr als eine Notlösung. Der Präsident soll ja nicht gleich die ganze Welt erklären wollen, sondern nur den Vereinsfußball – und das auch nur manchmal. Stoiber wäre unterfordert.

Bleibt eigentlich nur: Franz Beckenbauer, klar. Gegen ihn spricht, dass er Steueremigrant ist, und aus Österreich beim FC Bayern in der letzten Zeit immer nur hereinschneit. Beckenbauer, die Lichtgestalt, gibt dann zu erkennen, dass er eigentlich über den FC Bayern mental hinaus ist. Andererseits hat es Beckenbauer noch immer gerichtet, wenn es klemmte beim Club.

Am Ende kommt es doch anders. Es ist spät am Abend, als die Nachrichtenagenturen melden, Karl Hopfner solle Hoeneß als Präsident beerben. Darauf habe sich der Verwaltungsbeirat des Clubs geeinigt. Man wolle den bisherigen ersten Vizepräsidenten Hopfner den Mitgliedern für die außerordentliche Mitgliederversammlung am 2. Mai 2014 vorschlagen.