Dem Opfer einer Vergewaltigung in Stuttgart sind Drogen verabreicht worden. Das Landeskriminialamt registriert seit Jahren steigende Fallzahlen – Täter greifen demnach häufiger zu K.-o.-Tropfen.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Ein Vergewaltigungsfall vom Wochenende hat in Stuttgart Aufsehen erregt. Bei dem Sexualdelikt waren offenbar sogenannte K.-o.-Tropfen im Spiel. Die Droge sei weiterhin auf dem Vormarsch, sagt ein Sprecher des Landeskriminalamts. In der Polizeistatistik wurden 283 Fälle von „gefährlicher Körperverletzung durch Vergiftung“ registriert. Das waren 28 Fälle mehr als im Jahr davor, also ein Anstieg um etwa zehn Prozent. Die Droge führt zu Erinnerungsverlust und macht Menschen wehrlos. Das Mittel Gamma-Butyrolactol (GBL), das man gemeinhin K.-o.-Tropfen nennt, wird auch als Vergewaltigungsdroge oder Liquid Ecstasy bezeichnet. Warum, das zeigt der Fall vom Wochenende auf drastische Weise.

 

Frau in Stuttgart unter Drogeneinfluss vergewaltigt

Eine 40-Jährige kam am Sonntagmorgen in Oberesslingen zu sich. Gegen vier Uhr saß sie dort am Bahnhof und hatte nur noch bruchstückhafte Erinnerungen an das Geschehen der vergangenen Nacht. Sie hatte am Samstag die Hocketse des Christopher-Street-Day auf dem Stuttgarter Schillerplatz besucht. Dann weiß sie noch, dass sie mit zwei Männern erst im Schlossgarten war, die sie begrapscht haben sollen. Später sei sie mit den Männern in einem Raum gewesen, und die Fremden hätten sich an ihr vergangen.

Für die Ermittler war es in diesem Fall eindeutig, dass K.-o.-Tropfen im Spiel gewesen sein müssen. Sie konnten im Blut der Frau noch nachgewiesen werden. „Man kann diesen Nachweis nur ein paar Stunden nach der Einnahme erbringen“, sagt Horst Haug, der Sprecher des Landeskriminalamts. Die Substanz verflüchtige sich sehr schnell im Körper. Deswegen kann es oft nicht nachgewiesen werden, dass Täter das Mittel einsetzten, um ihr Opfer in eine hilflose Lage zu versetzen.

Die Fallzahlen steigen seit Jahren kontinuierlich. 2005 hatten die Ermittlungsbehörden nur 13 Fälle in Baden-Württemberg registriert. Im Jahr 2009 waren es dann schon 135 Fälle. Bei 255 Straftaten nahmen die Ermittler im Jahr 2015 an, dass Liquid Ecstasy im Spiel war. Das ist eine neue Höchstmarke. In diesem Jahr geht man von knapp 150 Fällen im ersten Halbjahr aus. Zum Vergleich: 2016 waren bis Ende Juni 181 Fälle registriert worden, sagt Horst Haug vom Landeskriminalamt Baden-Württemberg.

Selten kann nachgewiesen werden, wer die Tropfen ins Getränk träufelt

In Stuttgart hat sich das Landgericht zum Beispiel im Mai mit einem Fall befassen müssen, in dem der Gebrauch der Droge nachgewiesen worden war. Passanten hatten im November 2016 die Polizei alarmiert, weil sie an der Calwer Straße eine Frau ohne Hose auf dem Steinboden sitzen sahen, neben ihr ein Mann. Die Frau wirkte abwesend. Der Mann soll sie sexuell missbraucht haben. Der 21-Jährige wurde wegen des Sexualdelikts verurteilt. Zwar konnten die Ermittler die Droge nachweisen. Einen Nachweis dafür, dass der Mann sie ihr verabreicht hatte, konnte aber niemand erbringen, da unklar war, wann und wo jemand der Frau die Drogen untergejubelt haben könnte.

Oft träufeln Täter den Personen, die sie sich als Opfer aussuchen, die Substanz in ein Getränk. Die Polizei rät daher, auf Großveranstaltungen und in Diskotheken Getränke nicht unbeaufsichtigt stehen zu lassen. Ob die Frau, die am Wochenende in Stuttgart zum Opfer wurde, die Drogen auf der CSD-Hocketse verabreicht bekam, ist nicht geklärt. Die Polizei hat bisher noch keine Zeugenhinweise erhalten. „Wir werten nun Videoaufnahmen aus den S-Bahnen und von den Haltestellen aus“, sagte ein Sprecher der Polizei.