Der größte europäische Baukonzern Vinci wurde in dieser Woche Opfer eines perfekt inszenierten Angriffs auf seinen Aktienkurs. Die Hintergründe sind noch im Dunkeln. Die Pariser Börsenaufsicht ermittelt auch gegen Umweltschützer.

Korrespondenten: Stefan Brändle (brä)

Paris - Die Börsenräuber attackierten ihr Opfer so dreist und professionell wie bei einem der legendären Postzugsüberfälle. Am Dienstag um 16.05 Uhr brachten sie über die Agentur Bloomberg ein gefälschtes Kommuniqué in Umlauf, das wie üblich bei solchen Finanzmeldungen sehr nüchtern verkündete: „Vinci nimmt eine Revision seiner konsolidierten Ergebnisse vor.“ Der Inhalt war jedoch explosiver als eine Sprengladung an einer Safetür: Vinci habe im Jahresabschluss 2015 und im ersten Halbjahr 2016 bei einer internen Prüfung „buchhalterische Unregelmäßigkeiten“ im Umfang von 3,5 Milliarden Euro festgestellt, hieß es; der Finanzchef sei entlassen worden.  

 

Vinci ist nicht irgendwer, sondern Europas größten Baukonzern mit einem Umsatz von 38,5 Milliarden Euro und einem Gewinn von zwei Milliarden Euro; seine 185 000 Mitarbeiter haben in Kairoer eine U-Bahn gebaut, in Casablanca eine Tramlinie oder in Tschernobyl den Betonsarg.

Der Aktienkurs sackte zunächst um 18 Prozent ab

Die Nachricht schlug an der Börse ein wie eine Bombe, der Vinci-Kurs sackte um 18 Prozent ab, womit binnen Minuten ein Milliardenwert vernichtet wurde.   Um 16.27 Uhr legten die unbekannten Täter mit einem weiteren Kommuniqué nach. Darin warnten sie im Namen der Vinci-Direktion selbst vor dem „Versuch einer Desinformation“. Maliziös deuteten sie allerdings an, dass an den „aus unserem Büro durchgesickerten“ Informationen etwas sein könnte. Diese ebenfalls gefälschte Mitteilung verwies auf einen Link, der auf eine getürkte Webseite weiterleitete. Der Zuständige für Presseauskünfte bei Vinci wurde namentlich korrekt genannt und wer die angegebene Telefonnummer anrief, erhielt auch mündlich Auskunft über den angeblichen Finanzschlamassel bei Vinci. Wem die Stimme gehört, ist unbekannt.

Vinci konnte erst gegen 17 Uhr mit einer offiziellen Mitteilung reagieren. Der Konzern dementierte sämtliche Angaben und stellte eine Klage in Aussicht. Der Börsenhandel wurde für eine halbe Stunde ausgesetzt. Doch da war der Schaden schon angerichtet. Vinci verlor am Schluss des Tages und in einem positiven Börsenumfeld 3,7 Prozent. Wer auf „verkaufen“ gesetzt hatte, konnte also viel Geld verdienen. Doch war das Motiv des Börseneinbruchs wirklich finanzieller Natur? Vincis Sprecher erklärten ohne weitere Präzisierungen, der Konzern sei „gehackt“ worden. Auch die Pariser Börsenaufsicht AMF kündigte Ermittlungen an.

Schon in der Vergangenheit gab es ähnliche Attacken

Die Attacke war nicht die erste ihrer Art. Vor einem Jahr hatte die amerikanische Börsenaufsicht SEC ein Verfahren eröffnet, nachdem mysteriöse Firmen mit falschen Mitteilungen ein Kaufgebot für den Kosmetikkonzern Avon Products gemacht hatten. 2013 hatten Anti-Kohle-Aktivisten den Börsenkurs des australischen Konzerns Whitehaven Coal mit manipulierten Mitteilungen angegriffen.

Vinci steht in Frankreich im Fadenkreuz von Umweltschützern, die den Bau eines umstrittenen Regionalflughafens bei Nantes verhindern wollen. Nach Börsenschluss übernahmen denn auch nicht näher bekannte Projektgegner die Verantwortung für die „Sabotage“, wie sie mitteilten. Ihre mit Schreibfehlern gespickte Mail wirkte allerdings sehr amateurhaft. Die Ermittler schließen nicht aus, dass es sich bei den Verfassern um Trittbrettfahrer handeln könnte – oder um einen letzten Versuch der richtigen Täter, Verwirrung zu säen und ihre Spuren zu verwischen.