Weil die Mutter einen Übergriff befürchtete, war sie mit ihrem Sohn untergetaucht. Die Polizei war informiert. Trotzdem hat der Vater den dreijährigen Jungen entführt. Nun bittet die Mutter via Facebook um Hilfe.

Stuttgart - Ein grenzüberschreitender Sorgerechtsstreit ist am Dienstagvormittag vermutlich zu einem Kriminalfall geworden. Die Polizei geht davon aus, dass ein Norweger seinen dreijährigen Sohn vor einem Hotel in Stuttgart-Vaihingen entführt hat. Mit einem Helfer habe er die Mutter, eine Deutsche, und das Kind abgepasst. Bei einem Gerangel sei die Mutter leicht verletzt worden. Anschließend flüchteten die Täter zusammen mit dem Kind. In dem benutzen Wagen könnte nach Aussage der Mutter ein weiterer Helfer gewartet haben. „Wir fahnden in Deutschland und auch grenzüberschreitend nach dem Vater und seinem Sohn“, sagt die Polizeisprecherin Daniela Waldenmaier. Die Polizei geht davon aus, dass der Täter nach Norwegen fliehen will.

 

Der mutmaßlichen Entführung ist ein juristischer Streit in zwei Ländern vorausgegangen. Bereits im Spätsommer hatte der Vater ein Gericht in Norwegen bemüht.

Die Mutter hatte den Übergriff befürchtet

Sein Sohn, der zweisprachig ist und zu der Zeit auf Urlaub bei ihm war, sollte in dem Land bleiben. Das Gericht stimmte dem zu, ohne darüber zu entscheiden, wer das Sorgerecht haben sollte. Als der Vater im Oktober seinen Sohn wie vereinbart für eine Woche zu seiner Mutter nach Korntal brachte, tauchte diese mit dem Kind unter (wir berichteten). Die norwegische Botschaft schaltete sich ein. In einem weiteren Verfahren nach dem Haager Kindesentführungsabkommen stellte das Stuttgarter Familiengericht im Dezember fest, dass der Lebensmittelpunkt des Kindes in Deutschland sei, und hob so die Entscheidung der Norweger auf. „Damit hat die Mutter das Kind nicht entführt“, sagt eine Sprecherin des Gerichts.

Die Mutter war mit dem Kind untergetaucht, weil sie selbst eine Entführung befürchtete. „Die Polizei und das Jugendamt wussten immer, wo ich war“, sagt sie. Die beiden wohnten in den vergangenen drei Monaten bei Freunden oder im Hotel, zuletzt in Vaihingen. Vor allem, nachdem der Vater versäumt hatte, fristgerecht Beschwerde gegen den Beschluss des Stuttgarter Familiengerichts einzulegen, rechnete sie mit einem Übergriff. „Ich war immer vorsichtig. Ich habe immer in den Rückspiegel geschaut“, sagt sie. Wie er sie ausfindig machen konnte und wer seine Helfer sind, ist unklar.

Hilfsaufruf via Facebook

Die Patentante des Kindes bittet derweil über das soziale Netzwerk Facebook um Hilfe und hat dazu eine Seite eingerichtet. Innerhalb eines Tages haben mehrere Tausend Menschen den „Gefällt mir“-Knopf gedrückt. Dies führt dazu, dass sich die Seite schneller im Netz verbreitet. Die Anzahl der Kommentare geht in die Hunderte.

„Ich habe das auf Wunsch der Mutter initiiert“, sagt sie. Mit einer großen Resonanz habe sie gerechnet, „aber dieses Ausmaß hat mich überrascht. Das ist für uns eine Chance, mehr Menschen zu erreichen.“ So habe eine Spedition angeboten, an alle Fahrer eine Beschreibung von Vater und Kind zu verteilen. Auch die Initiative „vermisste Kinder“ habe Hilfe angeboten. „Aber der entscheidende Hinweis fehlt noch.“