In Problemvierteln genügt es nicht, sich um die Kinder zu kümmern, Stuttgart will auch Eltern Wege aus schwierigen Verhältnissen aufzeigen. Deshalb baut sie das Netz der Kinder- und Familienzentren aus.

Stuttgart - Armut und Bildungsferne in Familien stellen Kindertagesstätten zunehmend vor Herausforderungen. Ihre individuellen Bildungsangebote erreichen zwar die Kinder aus diesen Familien, sie ändern aber nichts an den Bedingungen, unter denen diese Kinder aufwachsen. Gleichzeitig ist die Kita der Ort, an dem die Chance am größten ist, auch mit den Eltern Kontakt aufzunehmen und ihnen Beratungs- und Bildungsangebote zu machen.

 

Um diese Familien in allen Alltagsbelangen zu unterstützen, hat die Stadt vor gut fünf Jahren ein Konzept zum Aus- und Umbau von Kitas zu Kinder- und Familienzentren (Kifaz) vorgelegt. Jetzt schlägt das Referat für Jugend und Bildung vor, die von ihr geförderten bestehenden 20 Zentren um sechs auszuweiten.

Ausschlaggebend ist die Zahl der Bonuscard-Kinder

In Stammheim, Zuffenhausen und Bad Cannstatt sollen vier städtische Kitas, in Stuttgart-Ost und Botnang zwei katholische Kitas zu Kinder- und Jugendzentren erweitert werden. Sie wurden ausgewählt, weil mindestens 30 Prozent ihrer Kinder und zugleich mindestens 30 Kinder eine Bonuscard besitzen.

Die Bonuscard gilt als Indikator: Bei den Besitzern handelt es sich zumeist um Kinder mit Migrationshintergrund, aus kinderreichen Familien oder aus Familien, die Hilfe zur Erziehung erhalten. Außerdem müsse sich eine Kita auch zum Umbau eignen, heißt es in der Mitteilungsvorlage von Bürgermeisterin Isabel Fezer.

Jörg Schulze-Gronemeyer, der Vertreter der Evangelischen Kirche im Jugendhilfeausschuss, wies auf eine Tücke im Kriterienkatalog in: „Wir haben etliche kleinere Kindertagesstätten, wo manchmal nur 27 oder 28 Kinder eine Bonuscard haben. Deshalb ist bei den neuen Zentren keine unserer Einrichtungen berücksichtigt.“ Weil auch dort trotzdem ein Bedarf an familienunterstützenden Diensten besteht, bat er die Verwaltung darum, nochmals über die Vergabekriterien nachzudenken.

Finanzierung soll überprüft werden

„Bei den freien Trägern herrscht Einigkeit, dass man mit dem Ausbau der Kitas fortfahren sollte“, sagte Armin Biermann. Der Bereichsleiter von Caritas schlug außerdem vor, die Wirkung der kirchlichen und städtischen Kinder- und Familienzentren künftig nach einem einheitlichen Standard zu überprüfen. Außerdem wies er auf die Problematik der Fördersummen hin: „Bei steigenden Personalkosten brauchen wir eine dynamische Finanzierung.“ Sowohl über die Vergabe- als auch die Finanzierungskriterien „werden wir nochmals nachdenken“, sagte Jugendamtsleiterin Susanne Heynen zu.

Die Stadträte hatten bereits vor der Sitzung des Jugendhilfeausschusses verabredet, sich erst im Rahmen der Haushaltsplanberatungen zu dem Thema zu äußern, signalisierten jedoch außerhalb des Protokolls der Sitzung am Montag grundsätzlich Zustimmung. Für das Jahr 2018 sind inklusive des Ausbaus um sechs weitere Zentren zusätzlich 48 280 Euro, für das Jahr 2019 dann nochmals 41 380 Euro notwendig.

Die Kinder- und Familienzentren wurden sukzessive ausgebaut, ihre Erweiterung ist aber bisher mit Geldern finanziert worden, die man den bestehenden Kinder- und Familienzentren bei den Zuschüssen abgeknapsthatte. Zwischen 2015 und 2017 sank dieser jährliche Zuschuss von 80 000 Euro auf nunmehr 50 000 Euro in Einrichtungen, die mindestens 50 Kinder und mehr mit Bonuscard bei sich aufgenommen haben.