Daniel Lieskes online publizierte und per „Crowd Funding“ finanzierte Fantasygeschichte „Wormworld Saga“ gibt es nun als Buch. Das ist aber nur ein Zusatzangebot.

Wenn du dir die Vergangenheit in Erinnerung rufst, kannst du dann immer mit Sicherheit sagen, welche Dinge wirklich passiert sind und welche nur Träume oder Fantasien waren?“ Mit dieser in einen blauen Himmel und zwischen weiße Wolken hineingestellten Frage beginnt Daniel Lieskes „Wormworld Saga“, deren erste drei Kapitel nun auch in Buchform (Verlag Tokyopop, 128 Seiten, 12 Euro) erschienen sind. Im Internet nämlich hat sich dieser Fantasy-Comic, in dem ein Junge namens Jonas eine märchenhafte Parallelwelt entdeckt, längst eine große Lesergemeinde erobert, und das nicht nur in Deutschland, sondern global. Wer die Homepage besucht, kann vor der Lektüre der online schon auf vier Kapitel angewachsenen Geschichte zwischen neunzehn Sprachen auswählen. Die englische Fassung hat der Autor zu Beginn noch selber geschrieben, die anderen Übersetzungen aber hat er gleich an seine Fangemeinde im Netz delegiert.

 

Die großen runden Augen des Helden erinnern an Mangas

Die „Wormworld Saga“ beginnt im Sommer 1977, dem Geburtsjahr ihres Schöpfers Daniel Lieske. Der etwa zehnjährige Jonas hat ein schlechtes Zeugnis erhalten, sein wortkarg-spröder Vater holt ihn von der Schule ab und fährt mit ihm zur Großmutter aufs Land. In dieser Bauernhof- und Fachwerk-Idylle soll Jonas nacharbeiten, was er nicht gelernt hat, tatsächlich aber zieht er sich in ein Dachbodenreich zurück, spielt mit einem Holzschwert und kriecht schließlich durch eine geheimnisvoll leuchtende Klappe in einen magischen Wald, aus dem er vorerst nicht mehr zurückfindet. Lieske erzählt das in leuchtend farbigen und atmosphärischen Bildern. Sein leicht karikierter Held, dessen großen runden Augen an die Protagonisten japanischer Mangas erinnern, agiert in einer fast fotorealistisch erfassten Umgebung. Einmal zeichnet Jonas ein Insekt, erweckt es damit zum Leben und folgt dann seinem Flug.

Bevor Jonas in die „Wormworld“ eintaucht, sehen die Architektur und die Landschaften deutsch aus. Die Geschichte aber legt sich nicht ganz so fest, sie will sozusagen ein internationales und auch nostalgisches Gefühl von Kindheit vermitteln. Sogar in das Zitat eines deutschen Vorbilds lässt Lieske Angelsächsisches einfließen: Jonas verlässt auf den ersten Seiten nicht irgendeine Grundschule, sondern die Michael-Ende-Elementary. Wobei die Bezeichnung „Seite“ nur für die Buchform gilt, im Internet ergießt sich die „Wormworld Saga“ auf das, was der Comic-Theoretiker Scott McCloud einen „infinite canvas“, also eine „unendliche Leinwand“ genannt hat. Jonas’ Abenteuer rollen respektive scrollen sich ohne irgendwelche Zäsuren immer weiter nach unten, die Szenerien wechseln dabei durch eine Art Abblendverfahren.

„Crow Funding“ als neuer Weg in die Professionalisierung

Überhaupt ist das Buch nicht der Kern, sondern nur ein Zusatzangebot der auf Expansion ausgerichteten „Wormworld Saga“. Lieske hat seine Fantasygeschichte als reines Netzprojekt gestartet, als er sie Ende 2010 öffentlich zugänglich machte, war die Resonanz so groß, dass aus dem nebenher betriebenen Hobby bald ein Hauptberuf wurde. Auf dem Weg in die Professionalisierung ging Lieske, der vorher für Computerspiele digital „gemalt“ hat, neue Wege. Er vertraute auf das sogenannte „Crowd Funding“, ließ sich also von seinen Fans finanziell unterstützen und war damit erfolgreich. Es finde gerade ein „Paradigmenwechsel“ statt, sagt er dazu, „besonders, was den Einstieg in die Professionalität angeht. Ich beobachte mittlerweile Independent-Autoren, die mit vielleicht 1000 Unterstützern Budgets von knapp 100 000 Dollar erzielen.“ Auf seiner „Wormworld“-Homepage sind die Namen seiner Sponsoren aufgelistet, jene mit den höchsten Spenden stehen ganz oben. Auch auf einen Fanartikelshop wird dort verwiesen, der ebenfalls nach dem „Crowd Funding“-Prinzip funktioniert: Kommt ein bestimmter Betrag zusammen, wird der vorgestellte Artikel hergestellt und geliefert. Dasselbe galt dann auch für die Finanzierung einer App, die inzwischen mehr als 100 000-mal heruntergeladen wurde.

Die „Wormworld Saga“ will ein eigener Kosmos werden, an dessen ständiger Erweiterung die Leser mitwirken können. Auf der Homepage führen Links nicht nur zu einem Blog des Autors, sondern auch zu solchen von Fans oder zu Seiten, auf denen diese ihre eigenen „Wormworld“-Zeichnungen vorstellen. Die ersten Schritte in diese Saga sind dem Autor also gelungen, sowohl finanziell als auch erzählerisch. Aber nun, da der einsame Jonas seine Realität verlassen hat und durch eine Parallelwelt streift, fließen die Farben gern hinein in esoterisches Rosa und die Geschichte ein bisschen in Fantasyroutine. Daniel Lieske will übrigens noch lange dabeibleiben und die „Wormworld“-Saga quasi als unendliche Geschichte erzählen, nämlich als Trilogie mit jeweils zwanzig Kapiteln (!) pro Band. „In meinem alten Job“, so bekennt er, „habe ich Grafiken für drittklassige Computerspiele erstellt und dabei seit zehn Jahren auf der Stelle getreten. Dahin zieht mich wirklich nichts mehr zurück.“