Mehr als 50 Narrengruppen aus dem ganzen Land sind am Dienstag mit rund 2500 Aktiven beim Fasnetsumzug durch die Stuttgarter Innenstadt gezogen.

Stuttgart - Gemeinhin machen Hasen selbst den härtesten Möhren den Garaus. Wenn im Stuttgarter Rathaus aber am Faschingsdienstag rosafarbene Langohren versuchen, Landjäger zu vertilgen, dann geraten sie in ihrem Kunstpelz gehörig ins Schwitzen. Das aufgesteckte Paar Schneidezähne, das einer kleinen Hasenschar beim Empfang im Rathaus vor dem großen Fasnetsumzug ein charakteristisches Aussehen verpasst, behindert die Nahrungsaufnahme doch außerordentlich. Nicht ganz so hinderlich ist das markante Kunstgebiss beim Trinken von Bier, das neben Wein und Wasser durch die Kehlen fließt. Den Flaschenhals neben die Beißer geschoben rinnt der Gerstensaft genüsslich und reichlich die Kehlen herunter.

 

Nicht nur rosa Häschen und fesche Hasen sind aber dabei, als der Stuttgarter Oberbürgermeister Wolfgang Schuster ein letztes Mal in seiner Regentschaft zahlreiche kostümierte Narren zum Finale der Fasnetskampagne 2011/12 empfängt. Es sind Abordnungen der am Umzug beteiligten Zünfte und Gesellschaften, die erst dem OB lauschen, dann nach einer Stärkung im kommunalen Regierungssitz aber schnell zu ihren Gruppen auf die Straße eilen.

Schuster in Kutsche unterwegs

Denn während es im Rathaus Landjäger und Gulaschsuppe mit Brot, garniert mit Fasnachtsklängen und Gardetänzen, gibt, herrscht in der Friedrichstraße bereits dichtes Gedränge. 51 Gruppen mit zusammen 2500 Narren stellen sich dort auf, um wenig später mit Narri-Narro, Helau und anderen Rufen durch die Lautenschlager- und Bolzstraße über den Schlossplatz und die Planie vorbei am Alten Schloss zum Marktplatz zu ziehen. Von da geht es dann weiter über die Eberhard- in die Tübinger Straße. Dort klingt der Straßenfasching dann auf dem Brauereigelände von Dinkelacker-Schwabenbräu aus.

OB Wolfgang Schuster ist selbst Teil des närrischen Lindwurms. Flankiert von zwei Personenschützern rollt er in einer von Pferden gezogenen Kutsche durch die City und schmeißt zur Freude vieler Kinder Süßes in die Menge. Nur wenige Meter hinter dem zwei PS starken Dienstwagen des OB folgen der Stadtprinz Patrick der Erste und seine Prinzessin Jenny in einem Cabrio. Allerdings ziert weder ein Stern noch ein Ross den Kühler des Prinzenmobils. Die Hessin und der Rheinland-Pfälzer überbringen mobile Grüße aus Bayern: „Aha“.

Musikalische Grüße vom Bodensee

Musikalische Grüße vom Bodensee überbringt als eine der von weither angereisten Gruppen der Fanfarenzug Radolfzell. Erst spielt er beim Empfang im Rathaus auf, dann schmettert er seine Musik durch die Straßen. Auch Andreas Scholz und die von ihm geführte Lumpenkapelle aus Hemmingen ist im Rathaus und beim Umzug zu erleben. Die Formation ist eng befreundet mit der Gesellschaft Möbelwagen, die den Umzug organisiert hat. Die Lumpenkapelle lässt es richtig krachen und sorgt als erste Musikgruppe im Fasnetsumzug auch dafür, dass nicht nur die Konservenklänge des führenden Brauerei-Oldtimers die Besucher am Straßenrand in Bewegung versetzen.

Partystimmung will nicht richtig aufkommen

Es sind zahlreiche Hexengruppen und Waldschrate, Kannibalen und Saustallfeger, Gardemädchen und Vampire, die neben Guggenmusikern bei strahlendem Sonnenschein die etwa drei Kilometer lange Wegstrecke zurücklegen. Die Umzugsteilnehmer werden von den Schaulustigen freudig begrüßt, nur selten ist aber fröhliche Partystimmung zu erleben. Auch Frank Pfauth, der am Marktplatz als Sprecher die vorbeiziehenden Gruppen begrüßt und die Besucher sonst mit Partymusik unterhält, muss immer wieder mal ein wenig nachhelfen. „Jetzt aber alle die Hände nach oben“, ruft er in die Menge die seiner Anweisung folgt. Echter Jubel sieht aber anders aus.

Kamellen-Jäger in der Kritik

In den verfällt manch junger Narr am Rande des Treibens. So auch der fünfjährige Ronaldo, der stolz eine Tüte mit eingesammelten Süßigkeiten sein Eigen nennt. Der als Pirat verkleidete Dreikäsehoch verrät auch, wie er zu seinem großen Schatz gekommen ist: „Die Mama hat einfach einen Schirm umgedreht.“ Über solche Methoden sind freilich nicht alle Besucher erfreut. Manch wirsches Wort wird daher einzelnen Kamellen-Jägern entgegengeschleudert, während die Drops durch die Lüfte fliegen: „Das ist doch eine Sauerei. Andere Kinder wollen auch was kriegen.“

S-21-Gegner mischen bei dem bunten Treiben kaum mit. Ein einsamer Streiter gegen das Bahnprojekt marschiert am Rande mit. Auf seiner Tafel proklamiert er gegen Gewalt und Zerstörung. Politische Themen spielen ansonsten – mit Ausnahme eines Wagens zur anstehenden OB-Wahl – bei dem Straßenumzug keine Rolle.