Stadt und Land sind aufeinander angewiesen - auf Gedeih und Verderb. Stefan Mappus trifft bei seiner Tour durch Stuttgart auf Michael Föll.

Stuttgart - Ob die Kuh vom Eis ist, nachdem sich der Ministerpräsident beim Oberbürgermeister für seine rüde Attacke entschuldigt hat - heute wird es in aller Öffentlichkeit zu hören und besichtigen sein. Denn um 10 Uhr kommt Stefan Mappus als "Startgast" zur Jahreshauptversammlung des Haus- und Grundbesitzervereins in den Hegelsaal der Liederhalle. Und um 11 Uhr will er, nur unweit entfernt, im Gasthaus Brunnerz am Rotebühlsplatz den "Salvatoranstich" vollziehen.

 

Ursprünglich war dazu auch OB Wolfgang Schuster geladen - der aber habe "schon vor Wochen", wie man im Rathaus beteuert, diesen Auftritt an seinen Stellvertreter Michael Föll delegiert, den Kreisvorsitzenden der CDU.

Was den gerüffelten Oberbürgermeister betrifft, so hat er, wie sein Pressesprecher Markus Vogt mitteilte, "die Entschuldigung des Ministerpräsidenten angenommen - die Sache ist damit für Herrn Schuster erledigt". Weitere Erklärungen werde es aus dem Munde des Stadtoberhauptes also nicht geben. Und Michael Föll, den der Bannstrahl seines CDU-Landesvorsitzenden gleichfalls getroffen hatte, sagte: "Der Ministerpräsident hat das Richtige getan. Das ist eine gute Grundlage für die weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit."

Verträge regeln die Abhängigkeit

Ob der Streit nun tatsächlich beigelegt ist oder hinter den Kulissen mächtig weiterschwelt - in den städtischen Amtsstuben und auf den Behörden des Landes muss man, so oder so, wieder zur Tagesordnung übergehen, soll heißen: Von der Bürgerschaft fast unbemerkt sind das Land und seine Landeshauptstadt in vielen Bereichen zu einer engen Zusammenarbeit verpflichtet; eine Fülle von Verträgen und Gesetzen, die auf den ersten Blick staubtrocken wirken, regelt die gegenseitige Abhängigkeit.

Stichwort Kultur: wenn sich in der Oper, im Schauspiel oder im Ballett der Vorhang hebt und mehr oder minder hohe Kunst geboten wird, dann ist das nur möglich, weil Stadt und Land gemeinsam die Kosten dafür tragen - jede Seite genau die Hälfte, insgesamt rund 70 Millionen Euro pro Jahr. Im sogenannten Staatstheatervertrag, in den übrigens auch das Linden-Museum am Hegelplatz eingebunden ist, wird alles Nähere geregelt. Im Stuttgarter Gemeinderat erheben sich ab und zu kritische Stimmen, um die Auflösung dieses Vertrages zulasten des Landes zu fordern, aber eine politische Mehrheit gibt es für einen derart radikalen Schnitt nicht.

Wie siamesische Zwillinge

Stichwort Stadtplanung: weil das Land und die Stadt zu den größten Eigentümern von Grund und Boden in Stuttgart zählen, sind die Berührungspunkte auf diesem Feld am größten. Vor gar nicht allzu langer Zeit hat OB Schuster dem Landtagspräsidenten Straub schriftlich klargemacht, dass er einen Neubau oder die Erweiterung des Landtags im Akademiegarten hinter dem Neuen Schloss strikt ablehnt. Das Land übrigens war darüber ziemlich verärgert.

Noch brisanter ist der seit Monaten schwelende Streit über die Neuordnung des Quartiers am Karlsplatz. Dem Oberbürgermeister und der linken Mehrheit seines Gemeinderats sind die vom Land und dem Haus Breuninger geplanten Baumassen viel zu groß. Die fällige Entscheidung - auch über die Zukunft der einstigen Gestapozentrale an der Dorotheenstraße - hat der OB ganz bewusst auf die Zeit nach der Landtagswahl verschoben. Welche Meinung der Ministerpräsident zu diesem Projekt hat, ist unbekannt - öffentlich hat er dazu bis heute keine Stellung bezogen.

Im Falle des neuen Innenministeriums an der Willy-Brandt-Straße wiederum ist der Gemeinderat dem Land entgegengekommen und hat sein Baugesuch bekanntlich gebilligt. Nicht zu vergessen: ob Zuschüsse für den Straßenbau, ob Beiträge zur Stadtsanierung oder gar der Finanzierungsanteil zu Stuttgart21 - Stadt und Land sind dabei quasi wie siamesische Zwillinge aneinandergekettet.

Dauerstreit führt zu Schäden

Stichwort Landesbank: die Stadt Stuttgart ist mit etwas mehr als 18 Prozent beteiligt; ohne den Oberbürgermeister, der seinerzeit geschickt verhandelt hat, wäre es zur Fusion nie gekommen. Es ist noch gar nicht lange her, da hat die Landeshauptstadt ihre sogenannte stille Einlage um 900 Millionen Euro erhöht - ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung mitten in der weltweiten Bankenkrise.

Stichwort Bildung: der schwierige Schulbereich auf kommunaler Ebene wäre ohne die Beteiligung des Landes gar nicht denkbar. Überdies ist die Stadtkasse auf die vielen Millionen Euro an Steuergeldern aus dem sogenannten Finanzausgleich des Landes angewiesen. Die Liste der Verflechtungen, der gegenseitigen Abhängigkeiten ließe sich beliebig verlängern. Ein Dauerstreit der Oberhäupter von Stadt und Land würde über kurz oder lang schweren Schaden für das gesamte Gemeinwesen verursachen.