Die Vereinigung Türkischer Vereine im Landkreis Göppingen zum gemeinsamen Fastenbrechen eingeladen. Viele nichtmuslimische Gäste haben mitgefeiert.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Göppingen - Die 14-jährige Büsra nimmt das mit der Fasterei ernst. „Tagsüber esse und trinke ich nichts“, sagt das bildhübsche dunkelhaarige Mädchen, das die Göppinger Hermann-Hesse-Realschule besucht. Dass es erst nach Sonnenuntergang etwas Essbares gebe, sei dabei nicht so schlimm, betont sie. „Das Nichttrinken fällt mir viel schwerer, gerade bei diesen Temperaturen.“ Büsras jüngerer Bruder Emre muss sich zwar noch nicht an die Fastenpflicht halten. „Bis zum Mittag ziehe ich das aber durch“, erklärt der Neunjährige, der sich auch in Sachen Gastfreundschaft die Erwachsenen zum Vorbild nimmt.

 

So wie die Vereinigung Türkischer Vereine im Landkreis Göppingen (VTV-GP), zahlreiche nichtmuslimische Freunde und Bekannte, aber auch Offizielle und Vertreter christlicher Kirche zum gemeinsamen Fastenbrechen eingeladen hat, so kümmert sich Emre um die deutschen Besucher, die am gleichen Tisch Platz genommen haben wie seine Familie. Das ist schon deshalb praktisch, weil der Bub anscheinend den direkten Draht in die Küche hat – oder den direkten Weg dorthin kennt. Während sich vor der Theke lange Schlangen gebildet haben, ist Emre nach wenigen Minuten wieder mit einem reich gefüllten Tablett zurück. „Ich komm da durch, weil ich nicht so groß bin“, sagt er und grinst spitzbübisch.

Doppelt so viele Besucher als erwartet

Am Ende verlässt aber niemand das erste gemeinsame Fastenbrechen der VTV-GP mit knurrendem Magen, obwohl letztlich doppelt so viele Gäste gekommen sind, wie die Organisatoren erwartet haben. Für 1000 Leute ist das Iftar-Zelt im malerischen Ambiente der Göppinger Karlstraßen-Allee bestuhlt. Als der Strom der Massen kein Ende nehmen will, wird perfekt improvisiert. Die Nachbarn bringen Sitzgelegenheiten mit – und für den Rest werden dicke Plastikplanen ausgerollt.

Vedat Dag, der Vorsitzende der Kreisvereinigung, unter deren Dach 15 Vereine zusammengefunden haben, ist nicht nur wegen des großen Zuspruchs ausgesprochen zufrieden. „Ramadan schafft Gemeinschaft, so lautet das Motto auf unserer Einladung“, sagt Dag. „Dass so viele Menschen das genauso sehen, hier zusammenkommen, Bekanntschaften schließen oder Freundschaften vertiefen, macht mich sehr glücklich“, ergänzt er. Lediglich, dass die Tontechnik den Verantwortlichen einen bösen Streich gespielt hat, ärgert den Vorsitzenden der kreisweiten Vereinigung.

Till: Wesentlicher Bestandteil der Integration

In der Tat sind die Reden des Göppinger Oberbürgermeisters Guido Till und des türkischen Generalkonsuls Türker Ari nur in unmittelbarer Umgebung der Bühne zu verstehen – und haben einen gemeinsamen Nenner: „Teilhabe und Verantwortung sind wesentliche Bestandteile von Integration, die uns gerade mitten in der Stadt herzlich willkommen ist“, betont Till, der erstmals an einem Fastenbrechen teilnimmt. Ari ist hingegen regelmäßig auf Iftar-Feiern zu Gast: „Was hier in der Vorbereitung geleistet wurde, um den Austausch zu ermöglichen oder zu vertiefen, ist Zeichen einer starken Gemeinschaft“, lobt er.

Nach dem Abendgebet geht es dann, pünktlich um 21.26 Uhr, ans Essen. Bei Roter-Linsen-Suppe, Salat, einem türkischen Gulasch namens Güvec, Reis und leckerem Baklava zum Nachtisch wird an den Tischen – und auf dem Boden – viel geredet. Natürlich geht es um die Speisen, die gereicht werden, aber eben auch um die während des Ramadan üblichen Verhaltensweisen, um Glaubensfragen und um das alltägliche Leben. „Eine offene Gesellschaft hat die große Stärke, dass es möglich ist, Traditionen zu bewahren und Bräuche offen zu leben“, erklärt Vedat Dag. Der Landkreis Göppingen sei für viele seiner Landsleute zum Lebensmittelpunkt, ja zur Heimat geworden. „Für uns ist es deshalb eine gemeinsame Verantwortung, zum Wohl dieser Heimat beizutragen, gerade auch mit einem Abend wie diesem“, fügt er hinzu.

Emre ist indes immer noch um das Wohl seiner Nebensitzer besorgt: „Wenn Sie noch etwas brauchen, sagen Sie es mir einfach, und wenn Sie morgen Abend oder im nächsten Jahr wiederkommen, dann auch.“