Für den FC Bayern und Trainer Jupp Heynckes stehen nach dem 5:0 gegen den SC Freiburg entscheidende Spiele an.

Sport: Marco Seliger (sem)

München - In München geschah Ungeheuerliches. Der Trainer war nach einem Bundesliga-Spiel tatsächlich: heiser. Er kritisierte seine Mannschaft – nach einem 5:0-Erfolg. Und zur Krönung bat er seine Jungs am nächsten Morgen tatsächlich zum Training, wo dem Vernehmen nach schon wieder ordentlich geschwitzt wurde. Und als ob das alles nicht genug wäre, trug Jupp Heynckes (72) noch seinen Tagesablauf vor, als er danach gefragt wurde, wie viel Zeit er denn gerade noch für seinen Schäferhund Cando habe: morgens um halb sieben aus dem Münchner Hotel, abends gegen halb neun wieder zurück. Dazwischen: Arbeit, Arbeit, Arbeit. Und, natürlich: keine Zeit für Cando!

 

Wer immer einen Eindruck bekommen wollte, was unter dem neuen und alten Trainer beim FC Bayern denn jetzt alles anders ist, der war am Samstag nach dem Dreier gegen den SC Freiburg richtig in der Münchner Arena. Dort, wo bis vor Kurzem noch ein Mann auch dann noch von guten Auftritten seiner Mannschaft sprach, als die gerade kläglich einen 2:0-Vorsprung verspielt hatte. Gegen den VfL Wolfsburg! Dort, wo der Trainer gar nicht heiser werden konnte. Weil er während des Spiels eher auf dem Kaugummi kaute, als dass er Anweisungen gab. Dort, wo der gemütliche Carlo Ancelotti an der Seitenlinie eher ein Symbol für Stillstand statt für Fortschritt war.

Jetzt also ist Jupp Heynckes wieder da. Und mit ihm offenbar ein gesunder Arbeitsantrieb. „Es ist wieder Zug drin“, sagte der Innenverteidiger Mats Hummels und ergänzte: „Wir haben die Trainingswoche gut genutzt, es war Tempo im Spiel.“ Was Hummels nicht sagte, aber im Kopf hatte: anders als vorher. Anders als unter Ancelotti, der irgendwann die Mannschaft verloren hatte. Weil er sie taktisch nicht weiterentwickelte. Weil er keine klare Hierarchie schuf. Weil er nicht verhindern konnte, dass sich Grüppchen bildeten.

Und jetzt? Ist, nach Auskunft der Spieler, offenbar alles besser. Sagte nicht nur Hummels, sondern auch Thiago, der angeblich der Liebling Ancelottis war. „Wir haben endlich wieder als Team gespielt, wir haben lange nicht mehr so gespielt“, meinte der spanische Mittelfeldmann, ehe Hummels die finale Watschn für Ancelotti verteilte. „Man kann maximal einen, im größten Fall zwei Spieler tolerieren, die nicht so mitarbeiten in der Defensive, sonst ist man keine richtig gute Mannschaft“, sagte der Weltmeister. Das habe der neue Trainer auch begriffen und allen sehr klargemacht. Wieder schwang unausgesprochen dieser Satz mit: anders als vorher Ancelotti.

Jupp Heynckes will den Bayern-Profis nun wieder das eintrichtern, was die Basis für Erfolge ist und unter Ancelotti verloren gegangen war: intensives Training, eine klare Spielidee – und Teamgeist. Mit dem Coach selbst als Vorbild im Alltag. „Ein Trainer“, sagte Heynckes, „muss immer mindestens genauso angespannt sein wie die Spieler.“ Heynckes jedenfalls stand am Samstag mächtig unter Strom. Während der Partie – und auch hinterher.

Dass der SC Freiburg in der ersten Halbzeit zu zwei guten Chancen gekommen war, „darf uns nicht passieren, da müssen wir viel sicherer und kompakter sein, dürfen nicht in der Vorwärtsbewegung Bälle verlieren“, sagte der Coach bestimmt: „Da muss man hellwach sein, das waren wir nicht. Darüber werden wir sprechen. Wir haben noch viel Arbeit vor uns, es kommen schwerere Gegner, dann müssen wir viel souveräner agieren.“ Tatsächlich stehen für Heynckes und die Bayern die Wochen der Wahrheit an. Noch im Oktober geht es im DFB-Pokal und in der Bundesliga jeweils gegen RB Leipzig, ehe Anfang November das Topspiel bei Tabellenführer Borussia Dortmund steigt. Und nebenbei steht der Rekordmeister nach der 0:3-Klatsche bei Paris St. Germain auch in der Champions League unter Druck – an diesem Mittwoch gastiert Celtic Glasgow in München (20.45 Uhr/ZDF).

Thomas Müller gab schon mal die Richtung für die nächsten Wochen vor: „Wir versuchen, Dortmund auf den Zeiger zu gehen und irgendwann zum Überholvorgang anzusetzen“, sagte der Weltmeister. Der Trainer hat dafür einen klaren Plan. Er geht mit seinen Bayern zurück in die Zukunft.

Wie in der Triple-Saison 2012/2013 lässt Heynckes seine Jungs im 4-2-3-1-System auflaufen. Mit Thomas Müller im offensiven Zentrum, der sich wieder unablässig durch die Halbräume bewegen soll und endlich wieder den Raumdeuter geben darf. Mit Flügelzangen rechts und links, die mit Tempo die gegnerischen Abwehrreihen durcheinanderwirbeln sollen. Und mit einem robusten Sechser vor der Abwehr, der ordentlich abräumen kann.

Heynckes jedenfalls sah gegen Freiburg neben den Schwächen auch schon „wunderbaren Fußball“ mit „guter Raumaufteilung, Ballzirkulation und Tempowechseln“. Am Ende gab er noch ein Versprechen ab: „Ich weiß, dass sich der Erfolg einstellen wird. Sonst hätte ich das auch nicht gemacht.“