Grün-Schwarz will Parteilisten einführen. Das nutze nur den Berufsparteifunktionären, sagt ein Kritiker.

Stuttgart - Der FDP-Abgeordnete Friedrich Bullinger hat sich gegen die von Grün-Schwarz geplante Reform des Landtagswahlrechts positioniert. „Der Wahlkreisbezug der Mandatsträger darf nicht verloren gehen“, sagte der Abgeordnete aus Schwäbisch Hall der Stuttgarter Zeitung. Auch künftig müsse der Wählerwille vor Ort oberste Priorität genießen. Die Parteien stünden ohnehin in der Kritik, deshalb sei sicherzustellen, dass diese „nicht lediglich reine Berufsparteifunktionäre mit dem Lebensweg Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal“ ins Parlament schickten.

 

Grün-Schwarz hatte sich im Koalitionsvertrag von 2016 darauf verständigt, ein personalisiertes Verhältniswahlrecht mit einer geschlossenen Landesliste einzuführen. Erklärtes Ziel ist, mehr Frauen in den Landtag zu bekommen. Deren Anteil ist konstant niedrig und beträgt derzeit bei 143 Abgeordneten nur 25 Prozent. Nur die Grünen-Fraktion kann ein annähernd hälftiges Geschlechterverhältnis vorweisen.

Werden Frauen gefördert oder nur der Parteienverdruss?

Wie das neue Wahlrecht aussehen soll, ist noch nicht ausklamüsert. Gegenwärtig haben die Bürger bei Landtagswahlen im Südwesten nur eine Stimme. 70 Direktmandate gehen an die Kandidaten mit dem jeweils höchsten Stimmenanteil in den Wahlkreisen. 50 Zweitmandate werden über eine Zweitauszählung vergeben. Maßgeblich ist dabei der Anteil der Parteien am Gesamtergebnis der Wahl. Welcher Kandidat innerhalb einer Partei zum Zuge kommt, richtet sich nach seinem Wahlkreisergebnis. In Summe ergeben sich 120 Mandate, dazu kommen aktuell 23 Überhang- und Ausgleichsmandate. Eine kleine Reform könnte so aussehen, dass ein Teil der Zweitmandate über Parteilisten besetzt wird. Die Zusammensetzung dieser Listen wird auf Parteitagen beschlossen, gelegentlich kommt es zu Überraschungserfolgen, meist werden die Plätze zwischen den Parteigremien ausgeklüngelt. Kritiker sagen, das fördere den Parteienverdruss.

Das Innenministerium bewertet das geltende Landtagswahlrecht in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage Bullingers als „Wahlrecht, das den Schwerpunkt auf die Persönlichkeitswahl legt“. In den meisten Bundesländern gilt ein Zweistimmenwahlrecht, welches dem Bundestagswahlrecht vergleichbar ist. In Bayern gilt ein modifiziertes Zweistimmenwahlrecht. Das Saarland verfügt über ein reines Verhältniswahlrecht mit Parteilisten. In Hamburg und Bremen haben die Wähler fünf Stimmen, die sie auf einzelne Kandidaten konzentrieren oder auch über die Listen hinweg aufteilen können.