Exklusiv Nach dem liberalen Wahldesaster in Brandenburg und Thüringen will sich auch die baden-württembergische FDP programmatisch öffnen. In einem StZ-Interview kokettiert FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke mit grün-roten Koalitionsideen.

Stuttgart - Schon wieder ist die FDP bei Landtagswahlen aus zwei Landtagen geflogen. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke erklärt, wie die Liberalen das im Südwesten vermeiden wollen.

 
Herr Rülke, die FDP hat in Brandenburg mit dem prophetischen Slogan geworben: „Keine Sau braucht die FDP“. Stimmt – oder?
Das war von den Kollegen dort natürlich nicht so gemeint. Sie wollten darauf aufmerksam machen, dass nicht das Schwarzwild oder das Hausschwein, sondern Mittelstand und Handwerk die FDP brauchen.
Gerade diese Klientel aber hat die Liberalen im Stich gelassen. Nur mit den Stimmen der Selbstständigen lässt sich keine Wahl gewinnen, haben Wahlforscher festgestellt.
Aufgrund des Vertrauensverlustes während unserer Regierungsbeteiligung zwischen 2009 und 2013 im Bund sind wir auf unser Stammwählerpotenzial zurückgeworfen...
... und das liegt nur bei zwei bis drei Prozent?
Die Stammwählerschaft ist nach allen Aussagen der Wahlforscher und Demoskopen bundesweit bei drei Prozent und in Baden-Württemberg bei etwa vier Prozent.
Darauf lässt sich kein Staat bauen.
Das kommt darauf an. Man muss zu diesen Stammwählern eben Wechselwähler dazu gewinnen. Das ist in Ostdeutschland schwieriger als in Baden-Württemberg.
Die AfD - Fleisch vom Fleische der FDP – zeigt, wie das geht. Hier finden die von den Liberalen enttäuschten Wähler offenkundig mehr Verständnis und eine neue Heimat. Ist es für die FDP weiter klug, den Euroskeptizismus zu unterschätzen und zu bekämpfen?
Fleisch vom Fleisch der FDP ist so falsch wie es nur sein kann. Das haben alle Untersuchungen ergeben. Die AfD wird gewählt von den Anhängern aller möglichen Parteien, von Protestwählern und auch von Leuten mit radikalen politischen Anschauungen. In Brandenburg hat sich der Vorsitzende der AfD die Stasi zurückgewünscht. Für die FDP ist die Partei kein Vorbild.
Die bürgerliche Klientel aber ist die gleiche.
Die Leute, die das Parteiprogramm der AfD gutheißen, sind für die FDP nicht zu erreichen. Wir betreiben keinen Wahlkampf gegen den Euro. Baden-Württemberg hat eine exportorientierte Wirtschaft. Es wäre Wahnsinn, den Ast abzusägen, auf dem man sitzt. SPD-Chef Sigmar Gabriel hat recht, wenn er sagt: die AfD ist eine Jobkillerpartei. Wir machen auch keinen Wahlkampf gegen Ausländer und Asylanten.
Politikwissenschaftler wie Ulrich Eith sehen die Liberalen bereits in einer schwer umkehrbaren Abwärtsspirale.
Wir als FDP haben in Baden-Württemberg , bei den Kommunalwahlen 2014 ähnlich abgeschnitten wie bei den Kommunalwahlen 2004. Das bedeutet, dass es durchaus Persönlichkeiten vor Ort gibt, die für die FDP noch gewählt werden. Wir haben auch bei der Bundestagswahl hier ein Ergebnis von über sechs Prozent erzielt. Insofern mache ich mir für Baden-Württemberg keine Sorgen. Wir brauchen aber ein besseres Ergebnis, damit wir Schwung für die Bundestagswahl 2017 mitnehmen können.
Will die FDP wieder im Fahrwasser der CDU zur Macht schwimmen?
Es wird mit Sicherheit unsere Aufgabe sein, die Alleinstellungsmerkmale der FDP deutlich zu machen. Es wird gar nicht so schwer sein, diese aufzuzeigen, weil ja die Merkel-CDU eine sozialdemokratisierte Politik macht, die eben nicht den Interessen von Handwerk und Mittelstand folgt. Dem werden wir eine klare marktwirtschaftliche Ausrichtung entgegensetzen.
Und dann wieder mit der CDU regieren...
Über eine Koalition sollte man nachdenken, wenn eine Wahl naht. Nicht schon anderthalb Jahre vorher.
Dass die FDP mit den Grünen und der SPD zusammengeht, ist doch undenkbar.
Undenkbar ist in der Politik überhaupt nichts. Undenkbar galt Schwarz-Grün in Hessen. Jetzt haben wir’s. Insofern ist für die FDP auch nichts undenkbar. Wir machen Koalitionen anhand von inhaltlichen Übereinstimmungen. Man soll auch bei Grün und Rot nie die Hoffnung aufgeben...
Wo sehen Sie da Gemeinsamkeiten?
Wir sehen uns die Inhalte der anderen Parteien genau an. Grundsätzlich ist niemand aus der Welt...
... auch nicht die Grünen?
Auch die nicht. Ich bin mir sicher, die würden mit jedem koalieren, um das Amt des Ministerpräsidenten wieder zu erlangen.
Die Avancen, die CDU-Fraktionschef Peter Hauk den Grünen gemacht hat, scheinen Sie ja gehörig nervös gemacht zu haben.
Jeder wirbt um den, den er attraktiv findet. Was die Wähler von diesen Avancen halten, wird sich zeigen.
Anmerkung der Redaktion: Der Wahlslogan der FDP lautete entgegen einer ersten Version des Textes nicht "Keine Sau wählt die FDP", sondern heißt richtig "Keine Sau braucht die FDP". Wir haben den Fehler korrigiert und entschuldigen uns dafür.