Die FDP ist vor ihrem Bundesparteitag wieder im Geschäft. Sie wird als Koalitionspartner umworben. Doch das ist nicht ohne Risiko für die Liberalen, wie Thomas Maron analysiert.

Berlin - Christian Lindner hat die FDP wiederbelebt. Dafür gebührt dem gerade mal 38-Jährigen großer Respekt. Nach dem Scheitern bei der Bundestagswahl 2013 hatten viele der Partei den Charme einer „stinkenden Leiche“ attestiert. Jetzt wird die FDP wieder umworben – als möglicher Koalitionspartner im künftigen Bundestag. Doch die Spekulationen über Ampelbündnisse mit SPD und Grünen oder Jamaika-Abenteuer mit Union und Grünen sind Fluch und Segen zugleich.

 

Klar, die FDP ist vor ihrem am Freitag beginnenden Bundesparteitag wieder im Gespräch. Nicht als Lachnummer, sondern als Partei, der man gestaltende Kraft zutraut. Und jede Erwähnung, jede Zeile, die sich mit der FDP beschäftigt, ist im Funkloch der außerparlamentarischen Opposition politisch betrachtet ein Vermögen wert. Zugleich bergen diese medialen Diskussionen aber ein großes Risiko, weil sie die FDP stabiler erscheinen lassen, als sie tatsächlich ist. Die Freien Demokraten mögen vielleicht die Intensivstation verlassen haben, aber sie kränkeln noch immer. Im Bund liegen sie bei sechs Prozent, immerhin. Aber die Abbruchkante ist nur einen Schritt entfernt. Und eines ist klar: Scheitert die FDP erneut an der Aufgabe, in den Bundestag einzuziehen, dann war alles umsonst, dann ist Lindner Geschichte und mit ihm wohl auch die FDP.

Kleine Parteien werden leicht zerrieben

Lindner weiß um die Gefahr, dass die Liberalen sich zu sicher fühlen könnten. Er weiß, dass Freie Demokraten dazu neigen, Gewinne in Form von Posten zu verteilen, noch ehe sie in der Bilanz ausgewiesen sind. Deshalb steht er vor der schwersten Zeit des Projekts Wiederaufstieg. Er muss klarmachen, dass in einer Phase, in der kleine Parteien im Showdown zwischen Angela Merkel und Martin Schulz leicht zerrieben werden, noch nichts gewonnen ist, egal wie glorreich er selbst bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen oder Wolfgang Kubicki in Schleswig-Holstein abschneiden mag.

Das Koalitionsgeraune stellt Lindner vor eine weitere Herausforderung. Denn für die FDP wäre es nach einem Wiedereinzug in den Bundestag das Beste, wenn sie zunächst in der Opposition erschlaffte parlamentarische Muskeln und Profil aufbauen könnte, das ahnt auch Lindner. Aber Wähler, die der FDP ihre Stimme geben, heißen es nicht gut, wenn sich die FDP vor der Verantwortung drückt. Deshalb darf Lindner auch nicht so tun, als wolle er nur auf der Oppositionsbank herumlümmeln. Nun kann er zwar den Preis für ein Bündnis in unbezahlbare Höhen treiben, aber er darf auch nicht überziehen, um nicht Erinnerungen an die Hybris der Westerwelle-Zeit zu wecken.

Wahlprogramm ohne durchgerechnete Konzepte

Die Sache ist also kompliziert, und sie wird dadurch nicht leichter, dass Lindner Scharfmacher und moderate Kraft zugleich sein muss. Sein Bemühen, sich weder in der linken noch in der rechten Ecke erwischen zu lassen, vernebelt mitunter den Blick darauf, wo er wirklich steht. Mal will er „Kanzler machen“, dann wieder prügelt er auf mögliche Koalitionspartner ein. Mal pirscht er sich an die wirtschaftspolitisch Vertriebenen der Union heran und gibt in Sachen Griechenland den europapolitischen Hardliner, dann wieder sendet er in der Bildungs- und Einwanderungspolitik beachtliche sozialliberale Signale.

Das Wahlprogramm, das nun verabschiedet wird, erspart dem Wähler durchgerechnete Konzepte. Es ist trotzdem nicht beliebig. Es vermittelt eine Haltung, ein Gefühl des Optimismus und des Grundvertrauens, dass sich Globalisierung und Digitalisierung zum Wohle aller gewinnbringend und sozial zugleich gestalten lassen, wenn man nur den Mut dazu hat. Das Programm krittelt und schimpft nicht und lässt alle Optionen jenseits von Linken und AfD offen. Alles hängt also davon ab, wohin Lindner steuert. Kein Zweifel: Er ist die FDP. Die Frage ist deshalb: Was will er?