Exklusiv Der baden-württembergische FDP-Vorsitzende Michael Theurer hat die eurokritische Alternative für Deutschland (AfD) heftig attackiert. Sie sei eine „national-konservative Partei“, die demaskiert werden müsse, sagt er im Gespräch mit der StZ.

Stuttgart - Dass die FDP einmal einen Mitgliederentscheid zum Euro-Rettungsschirm durchgeführt hat – Michael Theurer hat es bei seinem Redaktionsbesuch bei der Stuttgarter Zeitung am Freitag vergessen gemacht: Der neue FDP-Landesvorsitzende, ehemaliger Oberbürgermeister von Horb, Ex-Landtagsabgeordneter und Europaabgeordneter seit 2009 präsentierte sich als „glasklarer“ Europäer mit deutlichen Sympathien für Grüne und SPD. Er gab als Fernziel für die EU einen „dezentralen, föderalen Bundesstaat“ aus – ein rares Bekenntnis in der heutigen Parteienlandschaft.

 

Heftig fielen Theurers Attacken auf die euroskeptische Alternative für Deutschland (AfD) aus, die er als national-konservative Partei beschreibt, die eher „ein Problem der CDU als der FDP“ sei. In der AfD gebe es Befürworter für eine Abspaltung der Ostukraine, die EU werde als „EUDSSR“ geschmäht. Das Gerede von „Altparteien“ und das Wort von AfD-Sprecher Bernd Lucke über die „Entartungen der Demokratie“ nimmt Theurer als Beleg für seine Forderung, man müsse diese politische Gruppe „demaskieren“. „Die Äußerungen von Lucke machen den Eindruck, er sei ein verkappter Salonfaschist.“

Nachdem das Bundesverfassungsgericht die Fünf-Prozent-Hürde bei der Europawahl gekippt hat, glaubt Theurer, dass Parteien wie die AfD oder die NPD den Einzug in Straßburg schaffen. Er befürchtet eine Zersplitterung des Parlaments, eine Drei-Prozent-Hürde wäre ihm lieber gewesen: Die wäre wohl niedrig genug, dass die Liberalen darüber springen können: In den Umfragen rangieren sie bundesweit zwischen vier und sechs Prozent. Theurer glaubt, dass man bundesweit an die fünf Prozentherankommen könnte. Bescheiden ist das Ziel nicht, denn traditionell liegen die Liberalen bei EU-Wahlen unter denen von Bundestagswahlen. Bei der jüngsten flog die FDP mit 4,8 Prozent aus dem Bundestag. Seitdem aber verspürt Theurer Aufwind für die FDP, verweist auf 300 neue Mitglieder in Baden-Württemberg, 3000 bundesweit.

„Jeder soll Staubsaugen, mit was er will!“

Chancen verspricht er sich von der Betonung des liberalen Markenkerns, die Konzentration auf Bürgerrechte und Freiheitsgedanken. Eine EU-Vorschrift über die Leistungskraft von Staubsaugern hält er für abwegig – das würde er aber auch tun, wenn es in Berlin entschieden worden sei. „Jeder soll Staubsaugen, mit was er will!“ Oft schöben allerdings Bürger der EU Dinge in die Schuhe, die von nationalen Regierungen angestoßen wurden. Beim deutsch-europäischen Streit um ein Kühlmittel für Autoklimaanlagen sei es so gewesen, dass der Bundestag eine Ausnahmeregel gar nicht genutzt habe.

Theurer nennt Beispiele für „staatliche Bevormundung und Gängelung“, auch das „massenhafte Ausspähen“ durch Geheimdienste gehöre dazu: Der Vorsitzender des Haushaltskontrollausschusses in Straßburg fordert ein länderübergreifendes Kontrollgremium der Geheimdienste auf Nato-Ebene. Beim Datenschutz seien Positionen von FDP und Grünen oft „deckungsgleich“, sagt Theurer. Berührungsängste zu Grün-Rot hat er nicht. Winfried Kretschmann sei ihm stets lieber gewesen als Stefan Mappus. Im EU-Parlament hätten die Liberalen bei der Aussetzung des Swift-Abkommens mit Grünen und Roten gegen die EVP gestimmt. Nur bei der Kür des Kommissionspräsidenten kennt Theurer keine Kompromisse: Es sollte der liberale Belgier Guy Verhofstadt sein. Theurer kandidiert nicht nur für Europa, sondern auch für den Freudenstädter Kreistag und den Horber Gemeinderat: Er sei „Graswurzeldemokrat“.