Die FDP in Baden-Württemberg sucht nach einem Neuanfang. Doch von denen, die Ämter inne haben, will keiner weichen.    

Stuttgart - In der baden-württembergischen FDP kommt es nach der Niederlage bei der Landtagswahl zu einem Machtkampf um die Parteiführung. Nach einigem Zögern hat der Europaabgeordnete Michael Theurer am Wochenende vor dem Landesvorstand seine Kandidatur angemeldet. "Es geht jetzt darum, einen Neuanfang zu organisieren", sagte der 44-Jährige am Rande des Treffens in Sindelfingen.

 

Zuvor hatte der Landesvorstand seinen Rücktritt erklärt - gegen das Votum Theurers, der nach Teilnehmerberichten in einer persönlichen Erklärung sagte, er fühle sich für das Desaster bei der Landtagswahl nicht verantwortlich. Eine Woche zuvor war er noch für einen Rücktritt des Landesvorstands eingetreten. Über die neue Parteispitze soll auf einem Sonderparteitag am 7.Mai bestimmt werden.

Die bisherige FDP-Landeschefin Birgit Homburger bewirbt sich erneut um den Parteivorsitz. Von ihren drei Stellvertretern ließ Justizminister Ulrich Goll am Wochenende erkennen, dass er sein Parteiamt zur Verfügung stellt. Der Bundestagsabgeordnete Ernst Burgbacher hielt sich seine Entscheidung offen. Der dritte Stellvertreter ist Theurer. An die Sitzung von Landesvorstand und Parteipräsidium schloss sich eine Beratung mit den Kreisvorsitzenden und den - größtenteils gescheiterten - Landtagskandidaten an. Nur sieben Abgeordnete stellt die FDP im neuen Landtag. Bisher waren es 15.

Klinkel: Homburger im Amt bestätigen

Die Aktivitäten im Vorfeld des Parteitags zeigen, dass die Südwest-FDP noch nicht weiß, wie sie mit der schmerzhaften Niederlage vom 27. März umgehen soll. Diese Diskussion wird überlagert von persönlichen Machtinteressen, die in einer Partei, die nur noch wenige lukrative Ämter zu vergeben hat, ein begrenztes Betätigungsfeld finden. So gilt in der FDP als ausgemacht, dass Birgit Homburger durch den Verlust des Landesvorsitzes auch in ihrer Rolle als Vorsitzende der Bundestagsfraktion gefährdet wäre.

In diesem Sinne hatte sich vorige Woche Klaus Kinkel geäußert, der frühere Außenminister und FDP-Bundesvorsitzende. "Der Landesverband muss nach dem nicht besonders guten Abschneiden bei der Landtagswahl ein Rieseninteresse daran haben, in Berlin stark vertreten zu sein", sagte Klaus Kinkel. Deshalb müsse die FDP Frau Homburger als Landesvorsitzende bestätigen. Auch der gerade wiedergewählte Chef der Landtagsfraktion, Hans-Ulrich Rülke, sprach sich am Wochenende für die amtierende Landesvorsitzende aus. "Ich habe mit Birgit Homburger hervorragend zusammengearbeitet und wünsche mir, dass sie ihr Amt weiterführt."

Homburger kandidiert nicht für das FDP-Bundespräsidium

Die innerparteiliche Personaldiskussion ließ Birgit Homburger aber nicht unberührt. Sie kündigte an, nicht mehr für das FDP-Bundespräsidium kandidieren zu wollen. Sie verwies am Wochenende mit scholastischer Finesse darauf, dass sie dem höchsten Parteigremium als Fraktionschefin im Bundestag kraft Amtes ohnehin angehöre. Bei ihrer zurückliegenden Wahl in das Präsidium sei sie noch nicht Fraktionsvorsitzende gewesen.

"Es ist eine einzige Taktiererei"

Als Nachfolger im Bundespräsidium bewirbt sich Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Homburgers Entscheidung wird als Absicherung ihres Fraktionsvorsitzes gedeutet. Ein schlechtes Ergebnis fürs Bundespräsidium hätte sie in der Fraktion angreifbar gemacht.

Nach Ansicht ihres Konkurrenten Michael Theurer sollten jetzt allerdings andere Fragen im Mittelpunkt stehen. Theurer forderte "offene Diskussionen" in der Landespartei ein. Dagegen dürfe es gerne "weniger Vorgaben aus Berlin" geben. Monatelang habe die Landespartei aus Berlin Durchhalteparolen gehört. "Augen zu und durch", das sei die Devise gewesen. "Und als wir die Augen aufmachten, hatten wir bei der Landtagswahl 5,3 Prozent und waren weg von der Regierung."

Theurers Beliebtheit hält sich in Grenzen

Theurer tritt dafür ein, den engen Schulterschluss mit der CDU zu lockern. Die FDP habe bei der Landtagswahl "aus der Schwäche des Ministerpräsidenten keinen Vorteil" ziehen können. Auf den Vorhalt, auch bisher schon in der Partei nicht ohne Einfluss gewesen zu sein und deshalb Mitverantwortung für deren Zustand zu tragen, reagierte Theurer mit dem Hinweis, mit seinen Vorschlägen nicht durchgedrungen zu sein. "Ein Vordenker, der auch mal aneckt, kann der Partei nur guttun."

Im Landesvorstand plädierte Theurer vergeblich für einen Mitgliederentscheid über den Parteivorsitz. Seine Beliebtheit im Funktionärskorps der Partei ist begrenzt. Theurer, der sein Amt als Oberbürgermeister von Horb für den Einzug ins Europaparlament aufgab, gilt in der FDP als steter, zuletzt zunehmend frustrierter Suchender nach einer Führungsaufgabe. "Es ist eine einzige Taktiererei, was der da macht", heißt es in der Parteiführung. An der Basis jedoch könnte der Ruf nach einem personellen Neuanfang gehört werden. Allerdings sieht die Parteisatzung bis jetzt keinen Mitgliederentscheid vor.