Die personellen Wechselspiele zwischen FDP und AfD im Stuttgarter Gemeinderat halten die Stadtverwaltung auf Trab – auch wenn die beiden Parteien nur sieben von 60 Stadträten stellen.

Stuttgart - Die FDP und die Alternative für Deutschland (AfD) mit zusammen gerade einmal sieben von 60 Stadträten beschäftigen die Mitarbeiter im Hauptamt derzeit mehr als der große Rest. Gerade erst war das Faltblatt mit den Portraits der Kommunalpolitiker auf der Vorder- und dem Sitzplan im Gemeinderat auf der Rückseite geändert worden. Das bedingte der Wechsel an der Fraktionsspitze der Liberalen – Matthias Oechsner für Bernd Klingler – sowie der Umstand, dass Heinz Lübbe seinen Professorentitel nicht mehr vor dem Namen und nicht ohne Zusatzerklärung führen darf. Nun ist nach Klinglers Wechsel zur AfD, an deren Spitze er sich mit Stadtrat Lothar Maier gesetzt hat, auch diese Auflage wieder Makulatur.

 

Und weitere Änderungen sind zu erwarten. So gilt es bei der FDP als ausgemacht, dass Lübbe noch dieses Jahr seinen Stadtratsposten aus gesundheitlichen Gründen aufgeben wird. Für ihn würde dann Ex-Stadtrat Michael Conz nachrücken. Und bei der AfD ist Heinrich Fiechtner akut von einem Parteiausschluss bedroht.

AfD-Kreisvorstand distanziert von Fiechtners Äußerungen

Am Freitag hatte sich der Sprecher des Kreisvorstandes, Karl-Friedrich Hotz, erneut von Aussagen des AfD-Stadtrats distanziert. Dieser hatte OB Kuhn einen „faschistoid-populistischen Scharfmacher“ genannt und mitgeteilt, Parallelen zwischen Hitlers „Mein Kampf“ und dem Koran ausmachen zu können. Er entschuldigte sich zwar dafür, während der Pressekonferenz zur Präsentation des Neu-Mitgliedes Klingler, behauptete aber, das Parteiordnungsverfahren sei letztlich auf eine verzerrte Darstellung seiner Aussagen in der Presse zurückzuführen. Die Frist für seine Stellungnahme ist abgelaufen. Er habe seine Sicht der Dinge gegenüber dem Bundes- und Landesvorstand geschildert, sagte Fiechtner – und bedauerte gegenüber Hotz, vergessen zu haben, auch den Kreisvorstand zu informieren. Das werde er aber schleunigst nachholen.

Würde Fiechtner aus der Partei geworfen, blieben ihm mehrere Optionen: Er könnte sein Mandat zurückgeben. Dann würde der Viertplatzierte bei der Kommunalwahl, Walter Schupeck, nachrücken und die durch Klinglers Wechsel erreichte Fraktionsstärke absichern. Fiechtner könnte auch versuchen, bei einer anderen Partei unterzukommen, was eher unwahrscheinlich ist, oder als Einzelstadtrat fungieren - in beiden Fällen wäre die AfD ihren neuen Fraktionsstatus wieder los. Würde er mit ihr eine Fraktionsgemeinschaft bilden, käme die AfD dagegen sogar auf fünf Mitglieder. Aber auch dann dürfte die Partei keinen Platz in der ersten Reihe bekommen, denn die Sitzordnung legt der Oberbürgermeister fest.

Kurios: Falls die Justiz die unkonventionelle Kassenführung Klinglers, die zum Bruch mit der FDP führte, tatsächlich als Untreue auslegen würde und er moralisch gezwungen wäre zurückzutreten, dürfte nicht etwa ein AfD-Mitglied nachrücken, sondern ein Vertreter der Liberalen: Michael Conz oder Matthias Werwigk.

Die AfD hat weitere positiven Folgen von Klinglers Wechsel aufgezeigt: neben einem Plus von 70 000 Euro jährlich auch mehr Sitze in Ausschüssen und Aufsichtsräten. Das eine ist nicht ausgemacht, und das andere falsch – alle Vertreter in den Kontrollgremien der Beteiligungsgesellschaften sind laut Verwaltung für diese Periode fest gewählt. Zu erwarten ist, dass die großen Fraktionen bei der Neubesetzung der Ausschüsse eine Zählgemeinschaft bilden mit dem Ziel, eine verstärkte Präsenz der Alternative für Deutschland (AfD) in den Gremien zu verhindern. Man warte jetzt erst einmal ab, wie das Schiedsgericht im Fall Fiechtner urteile, heißt es im Rathaus. Das spare auf jeden Fall Papier.