In Australien sind geheimnisvolle Spuren gefunden worden – bisher kannte man das Phänomen nur aus Afrika. Die kahlen Stellen sind als Drachenspuren, Feenkreise oder als Fußabdrücke der Götter bekannt.

Stuttgart - Manchmal sieht man ein Bild von einer Landschaft und weiß sofort: „Da muss ich hin!“ Genauso ging es auch Stephan Getzin vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig, als er im Mai 2014 eine Mail aus Australien bekam. Dabei zeigte das Foto keinen Palmenstrand, kein eindrucksvolles Bergpanorama oder ein anderes klassisches Traumziel. Bronwyn Bell, die Umweltbeauftragte einer Bergbaufirma, hatte ihm ein Luftbild aus der Umgebung des Städtchens Newman geschickt: eine menschenleere, trockene Graslandschaft mitten im Nirgendwo des australischen Outbacks. Nicht sonderlich einladend auf den ersten Blick. Doch für Stephan Getzin hätte es kaum ein spannenderes Motiv geben können.

 

Denn irgendeine geheimnisvolle Kraft schien dort ein Muster aus kahlen Flecken ins Gras gefräst zu haben. „Ich dachte, ich traue meinen Augen nicht“, erinnert sich der Forscher. Das Ganze sah nämlich genauso aus wie die geheimnisvollen Feenkreise im Südwesten Afrikas, mit denen er sich schon seit 1999 beschäftigt. Waren die also gar nicht so einmalig, wie man bisher angenommen hatte? Gemeinsam mit israelischen und australischen Kollegen hat Stephan Getzin diesen Verdacht inzwischen bestätigt. Was die neue Entdeckung über den Ursprung der Feenkreise verrät, erläutert das Team im Fachjournal „PNAS“.

Woher die kahlen Flecken kommen, ist nämlich immer noch umstritten. Einer namibischen Legende zufolge soll es sich um die Fußabdrücke von Göttern handeln. Wahlweise auch um die Brandspuren vom feurigen Atem unterirdischer Drachen. Mit so märchenhaften Erklärungen wollen sich Naturwissenschaftler natürlich nicht zufriedenge0ben. Aber was kann sonst dahinterstecken? Sind die kahlen Stellen das Werk von Termiten oder Ameisen, die an den Wurzeln fressen? Steigen unter ihnen giftige Gase aus dem Inneren der Erde auf, die das Gras töten? Oder entstehen die verblüffenden Landschaftsmuster ganz von allein, wenn Pflanzen in Trockengebieten um das knappe Wasser konkurrieren? Alle diese Theorien finden ihre Anhänger.

Stephan Getzin ist schon seit Jahren davon überzeugt, dass sich die Gräser selbst organisieren. „Das Faszinierende ist, dass sich Feenkreise auch über größere Gebiete sehr regelmäßig und homogen verteilen“, erklärt der Forscher. Gemeinsam mit Hezi Yizhaq und Ehud Meron von der Ben-Gurion-Universität des Negev in Israel hat er mit Computermodellen simuliert, wie ein solches Landschaftsbild zustande kommen kann. Durch virtuellen Wassermangel und die damit verbundene Konkurrenz der Pflanzen tauchte auf den Bildschirmen tatsächlich ein ganz ähnliches Muster auf wie in der Realität des Graslandes von Namibia.

Trotzdem hat die Erklärung bisher keineswegs alle Wissenschaftler überzeugt. Wassermangel gibt es schließlich auch in etlichen anderen Graslandschaften der Erde. Da leuchtet es nicht so recht ein, warum die geheimnisvollen Feenkreise nur in Namibia sowie im Norden Südafrikas und im Süden Angolas vorkommen sollten. Und genau das ist auch der Grund dafür, dass Stephan Getzin wie elektrisiert auf das Luftbild aus Australien starrte: Er sah die Chance, neue Argumente für die Theorie der Selbstorganisation zu finden.

Also flogen er und Hezi Yizhaq im Dezember 2014 nach Newman und begannen, die kahlen Flecken zu untersuchen. Man könnte sich sicher Angenehmeres vorstellen, als im Glutofen des australischen Outbacks Vegetationslücken zu vermessen, Bodenproben zu nehmen und nach den Spuren von Ameisen und Termiten zu fahnden. „Ab 11 Uhr wurde es unerträglich heiß“, erinnert sich Stephan Getzin. Temperaturen von 45 bis 46 Grad sind in der Region an der Tagesordnung, und zwar im Schatten, den die trockene Graslandschaft kaum zu bieten hat. Gar nicht zu reden von den Heerscharen lästiger Fliegen, die sich innerhalb von Minuten auf den schweißnassen Forscherrücken niederließen.

Doch die Strapazen haben sich gelohnt. „Man bekommt heutzutage ja nur sehr selten die Chance, ein neues Naturphänomen zu entdecken“, sagt Stephan Getzin. Noch dazu eines, das wegen seiner Ausdehnung sogar auf den Satellitenbildern von Google Earth zu erkennen ist. Er und seine Kollegen sind inzwischen sicher, dass es sich bei den kahlen Flecken im australischen Outback tatsächlich um echte Feenkreise handelt. Schließlich verteilen sie sich ihren Analysen zufolge im gleichen Muster wie ihre Gegenstücke im 10 000 Kilometer entfernten Namibia.

Zudem haben die Forscher aus dem australischen Backofen auch neue Hinweise auf die Entstehung des rätselhaften Phänomens mitgebracht. So fanden sich in den meisten der dortigen Feenkreise keine Spuren von Ameisen oder Termiten, und die vorhandenen Bauten dieser Insekten verteilten sich ganz anders als die Lücken in der Vegetation. Dafür bildete das Gras in unmittelbarer Nähe der kahlen Stellen auch andere typische Trockenheitsmuster wie Streifen oder Labyrinthe. „Das alles stützt die Theorie von der Selbstorganisation der Pflanzen“, freut sich Stephan Getzin. Er hält es durchaus für möglich, dass sich ähnliche Phänomene auch in anderen dünn besiedelten Regionen wie den Trockengebieten Südamerikas, Afghanistans oder der Mongolei verbergen. Selbst in Zeiten von Google Earth scheinen die Landschaften der Erde noch längst nicht alle Geheimnisse preisgegeben zu haben.