Morgen ist Wirtschaftstag in Berlin. Das ist ein Hochamt für liberal und ordnungspolitisch orientierte Christdemokraten. Sie haben sonst wenig Gelegenheiten, ihre Wichtigkeit zu zelebrieren. Veranstalter ist der CDU-Wirtschaftsrat, der 30 000 Unternehmen repräsentiert – auch er eine Säule des Wirtschaftsflügels. In Ermangelung eigener Leitfiguren überlassen sie jetzt sogar der außerparlamentarischen Opposition das Podium. Als besonderer Gast ist FDP-Chef Christian Lindner geladen. Der Wirtschaftsrat versteht dies als Spitze gegen die Kanzlerin. In seinen Kreisen ist der Phantomschmerz groß wegen der Leerstelle, welche die Liberalen hinterlassen haben. Damit einher geht die Sehnsucht nach vermeintlich „guten, alten Zeiten“, in denen wirtschaftsliberale Positionen unionsintern größeres Gewicht beigemessen worden seien.

 

In larmoyanten Gesprächen über dieses Thema fällt unweigerlich der Name Helmut Kohl. Der CDU-Patriarch habe stärker als Merkel auf eine Balance der Parteiflügel geachtet. Von Kohl ist aber auch eine Anekdote überliefert, wie er die Epigonen Ludwig Erhards in die Schranken wies: Als Vorsitzender der CDU wolle er „nicht den Ludwig-Erhard-Preis, sondern Wahlen gewinnen“. So hält es auch Merkel. Unter ihrer Ägide sei die CDU freilich in weitaus stärkerem Maße zu einer schwarzen Spielart der Sozialdemokratie verkommen, beklagen führende Leute vom Wirtschaftsflügel. Aus ihrer Warte begann die Ära Merkel mit einer Enttäuschung. Die Frau aus dem Osten hatte der Union in Oppositionszeiten einen geradezu neoliberalen Kurs verordnet. Als Symbol dieser marktradikalen Offensive gilt der Parteitag in Leipzig 2003. Von Bierdeckelsteuer und Kopfprämien war damals die Rede. Solche Parolen hätten Merkel zwei Jahres später auf dem Weg ins Kanzleramt beinahe stolpern lassen. Die heiklen Themen aus dem Reformkatalog von 2003 wurden prompt aus dem Wortschatz der CDU gelöscht.

Die Ordnungspolitik ist von der Agenda gestrichen

Seit damals sei Merkels Reformeifer mausetot, beklagen Parteifreunde, die in Leipzig noch Friedrich Merz zugejubelt hatten. Der ehemalige Fraktionschef zählt auch zu den Stammgästen des Wirtschaftstags, obwohl er seit Ende 2004 alle Parteiämter ruhen lässt. Für die Unionisten aus dieser Ecke ist er so etwas wie der sagenhafte König Artus, der sie eines Tages aus dem Schattendasein in der Merkel-CDU erretten soll. Die Kanzlerin habe die Union von einer Partei der sozialen Marktwirtschaft in eine „Partei der sozialen Wirtschaft“ umgemodelt, lästern ökonomisch orientierte Christdemokraten. Die Ordnungspolitik sei von der Agenda gestrichen.

Bis zur Bundestagswahl gab es einen, der dies regelmäßig besonders schrill beklagte: der Hamburger Anwalt Josef Schlarmann, damals Bundesvorsitzender der CDU-Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung. Im persönlichen Umgang ist Schlarmann ein nobler Herr mit ausgesprochen feinen Manieren. Merkel attackierte er aber stets mit gröbstem Schrot. Er schaffte es mit solchen Attacken immer wieder in die Schlagzeilen und auf die Hochglanzseiten der Nachrichtenmagazine. Darauf blieb sein Erfolg jedoch begrenzt. Innerhalb der Partei manövrierte er sich ins Abseits. Ihm wurde auch angekreidet, dass die Mitglieder des CDU-Bundesvorstands montags in Blättern wie dem „Spiegel“ lesen mussten, was Schlarmann an Merkels Regierungspolitik auszusetzen hat, er just an diesen Montagen aber den Sitzungen des Spitzengremiums fernblieb – oder sie schweigend absaß. Zudem hatte er kein Mandat im Bundestag und damit nur indirekten Einfluss auf die Fraktion.

Die Bosse sprachen im Kanzleramt vor

Auch im Kanzleramt brachten die Bosse ihre Sorgen schon vor. Angela Merkel und ihr Amtschef Peter Altmaier nehmen sich viel Zeit für sie. Doch im alltäglichen Geschäft kann sich die Kanzlerin nicht um alles kümmern. Im Kabinett vermissen die Unternehmen eine verlässliche Anlaufstelle. Es gehört zwar zum Selbstverständnis von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), für die Wirtschaft ein offenes Ohr zu haben, aber für das Klein-Klein der Sozialgesetze oder des Vorschriftendschungels habe er nicht viel übrig, wird berichtet.

Immerhin gibt es einen neuen Hoffnungsträger: Der 36-jährige Carsten Linnemann ist seit einigen Monaten Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung. Dem redegewandten und umgänglichen Nachwuchspolitiker aus Nordrhein-Westfalen trauen Vorstände und Verbandsfürsten viel zu. Linnemann ist nicht nur häufiger Talkshow-Gast, sondern gilt auch als sachkundig und zielstrebig. Er ist nach Meinung von Unionsleuten momentan der einzige Vertreter des Wirtschaftsflügels, der in der Regierung ernst genommen wird. Doch ein erfahrener Lobbyist warnt davor, zu große Erwartungen zu hegen. „Linnemann steht am Anfang, sein Arm reicht noch nicht so weit.“

Beim Wirtschaftstag wird dem FDP-Chef Platz gemacht

Morgen ist Wirtschaftstag in Berlin. Das ist ein Hochamt für liberal und ordnungspolitisch orientierte Christdemokraten. Sie haben sonst wenig Gelegenheiten, ihre Wichtigkeit zu zelebrieren. Veranstalter ist der CDU-Wirtschaftsrat, der 30 000 Unternehmen repräsentiert – auch er eine Säule des Wirtschaftsflügels. In Ermangelung eigener Leitfiguren überlassen sie jetzt sogar der außerparlamentarischen Opposition das Podium. Als besonderer Gast ist FDP-Chef Christian Lindner geladen. Der Wirtschaftsrat versteht dies als Spitze gegen die Kanzlerin. In seinen Kreisen ist der Phantomschmerz groß wegen der Leerstelle, welche die Liberalen hinterlassen haben. Damit einher geht die Sehnsucht nach vermeintlich „guten, alten Zeiten“, in denen wirtschaftsliberale Positionen unionsintern größeres Gewicht beigemessen worden seien.

In larmoyanten Gesprächen über dieses Thema fällt unweigerlich der Name Helmut Kohl. Der CDU-Patriarch habe stärker als Merkel auf eine Balance der Parteiflügel geachtet. Von Kohl ist aber auch eine Anekdote überliefert, wie er die Epigonen Ludwig Erhards in die Schranken wies: Als Vorsitzender der CDU wolle er „nicht den Ludwig-Erhard-Preis, sondern Wahlen gewinnen“. So hält es auch Merkel. Unter ihrer Ägide sei die CDU freilich in weitaus stärkerem Maße zu einer schwarzen Spielart der Sozialdemokratie verkommen, beklagen führende Leute vom Wirtschaftsflügel. Aus ihrer Warte begann die Ära Merkel mit einer Enttäuschung. Die Frau aus dem Osten hatte der Union in Oppositionszeiten einen geradezu neoliberalen Kurs verordnet. Als Symbol dieser marktradikalen Offensive gilt der Parteitag in Leipzig 2003. Von Bierdeckelsteuer und Kopfprämien war damals die Rede. Solche Parolen hätten Merkel zwei Jahres später auf dem Weg ins Kanzleramt beinahe stolpern lassen. Die heiklen Themen aus dem Reformkatalog von 2003 wurden prompt aus dem Wortschatz der CDU gelöscht.

Die Ordnungspolitik ist von der Agenda gestrichen

Seit damals sei Merkels Reformeifer mausetot, beklagen Parteifreunde, die in Leipzig noch Friedrich Merz zugejubelt hatten. Der ehemalige Fraktionschef zählt auch zu den Stammgästen des Wirtschaftstags, obwohl er seit Ende 2004 alle Parteiämter ruhen lässt. Für die Unionisten aus dieser Ecke ist er so etwas wie der sagenhafte König Artus, der sie eines Tages aus dem Schattendasein in der Merkel-CDU erretten soll. Die Kanzlerin habe die Union von einer Partei der sozialen Marktwirtschaft in eine „Partei der sozialen Wirtschaft“ umgemodelt, lästern ökonomisch orientierte Christdemokraten. Die Ordnungspolitik sei von der Agenda gestrichen.

Bis zur Bundestagswahl gab es einen, der dies regelmäßig besonders schrill beklagte: der Hamburger Anwalt Josef Schlarmann, damals Bundesvorsitzender der CDU-Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung. Im persönlichen Umgang ist Schlarmann ein nobler Herr mit ausgesprochen feinen Manieren. Merkel attackierte er aber stets mit gröbstem Schrot. Er schaffte es mit solchen Attacken immer wieder in die Schlagzeilen und auf die Hochglanzseiten der Nachrichtenmagazine. Darauf blieb sein Erfolg jedoch begrenzt. Innerhalb der Partei manövrierte er sich ins Abseits. Ihm wurde auch angekreidet, dass die Mitglieder des CDU-Bundesvorstands montags in Blättern wie dem „Spiegel“ lesen mussten, was Schlarmann an Merkels Regierungspolitik auszusetzen hat, er just an diesen Montagen aber den Sitzungen des Spitzengremiums fernblieb – oder sie schweigend absaß. Zudem hatte er kein Mandat im Bundestag und damit nur indirekten Einfluss auf die Fraktion.

Auch Kurt Lauk, Chef des Wirtschaftsrats, leidet unter dieser Außenseiterrolle. Ebenso wie für Schlarmann ist für ihn ein Platz im Bundesvorstand reserviert. Aber Stimmrecht hat er nicht. Auch er gehört der Fraktion nicht an. Merkel muss sein Votum nicht fürchten, er kann ihr machtpolitisch nicht unmittelbar schaden. Wenn Lauk sich zu Wort meldet, spricht er Klartext. Die schwarz-rote Rentenpolitik hat er als „Geisterfahrt“ gebrandmarkt. Dennoch klingt das wie eine ferne Stimme aus dem Off. Fundamentalisten wie er werden im Kreise führender CDU-Politiker eher belächelt. Mit „Haudegenpolitik“ sei nichts zu erreichen, heißt es.