An der Motivation, schwimmen zu lernen, fehlt es nicht – jedoch an ausgebildetem Personal in den Kitas und Grundschulen. Bürgermeister Martin Schairer plant einen „Großen Schwimmgipfel“.

Stuttgart - Der Stuttgarter Sportbürgermeister Martin Schairer (CDU) kündigt ein Drei-Stufen-Konzept zur Verbesserung der Schwimmfähigkeit von Kindern an. Kurz nach seinem Amtsantritt im Sommer mahnte er in der StZ, die „Bäderstadt Stuttgart sei auf dem besten Weg, eine Stadt der Nichtschwimmer zu werden“. Die Hälfte der Zweitklässler kann nicht schwimmen, und jeder Sechste fühlt sich selbst nach der vierten Klasse noch immer eher als Stein denn als Fisch im Wasser.

 

Schairer ist „vorsichtig optimistisch“, dass es durch eine intensive Zusammenarbeit innerhalb der Stadtverwaltung sowie mit Schulen, Vereinen, freien Trägern und privaten Anbietern, mit einer besseren Organisation und mehr kompetenten Lehrern und Vereinsübungsleitern möglich werde, alle Kinder bis zum Ende der Kitazeit ans Wasser gewöhnt zu haben. Alle Kinder bis zum Ende der zweiten Klasse – dem ersten Schuljahr mit Schwimmunterricht – die „Seepferdchen“-Prüfung ablegen, also 25 Meter schwimmen können. Am Ende der vierten Klasse sollen dann 100 Prozent und nicht nur 18 in der Lage sein, sicher zu schwimmen. An Unterstützern fehlt es nicht: Seit der ersten Berichterstattung über Schairers Aktion haben sich bereits rund 50 kommerzielle Anbieter von Schwimmkursen bei Andi Mündörfer, dem zuständigen Sportwissenschaftler im Amt für Sport und Bewegung, gemeldet.

Alle Kursanbieter auf einen Blick im Netz

Anfang des Jahres findet ein „Großer Schwimmgipfel“ statt mit allen Beteiligten – vom Staatlichen Schulamt bis zum Schwimmverband. Dann wird die Arbeitsgruppe „Schwimmen lernen in Stuttgart“ installiert. Bis Februar will das Sportamt eine Online-Plattform mit einfachen Anmeldemöglichkeiten für Schwimmkurse eingerichtet haben. Die Koordination solle in seinem Hause erfolgen, so Schairer. Im Juni diskutiert der Gemeinderat dann über das Konzept, und Ende 2017 soll in den Haushaltsberatungen der Mittel- und Personalbedarf diskutiert werden.

Es fehlten doch vor allem Bäder, sagt die Schulbürgermeisterin Isabel Fezer (FDP) und verweist auf aktuelle und künftige Schließungen von Einrichtungen wegen fälliger Sanierungen. Betroffen seien zwei Lehrschwimmbecken sowie die Hallenbäder Untertürkheim und Feuerbach. Letzteres ist ein Ärgernis. Das Bad wurde bereits teils entkernt, im Glauben, die Bauarbeiten könnten Anfang September beginnen. Jetzt ist aber ein Vergaberechtsverfahren anhängig, und der Abbruch beginnt frühestens Ende Januar 2017. Das wurmt vor allem die Schwimmschule der Sportvereinigung Feuerbach, die nun länger als nötig auf dem Trockenen sitzt.

Es gibt zu wenig Hallenbäder

Wasserflächen seien aber auch deshalb Mangelware, weil nicht alle genutzt worden seien, haben Schairer und Mündörfer ermittelt. Sie identifizierten allein neun Therapiebecken – und noch gar nicht alle Krankenhäuser wurden angefragt. Zu wenig genützt würden auch die Freibäder in der warmen Jahreszeit. Beim ersten kleinen „Schwimmgipfel“ im Rathaus hat man angeregt, die nötigen Reinigungen und Wasserwechsel außerhalb der Nutzungszeiten vorzunehmen. Außerdem wird geschaut, ob für Schwimmkurse die Bäder länger geöffnet sein könnten.

Die Schulen sind angehalten, Bäderzeiten rechtzeitig zurückzugeben, wenn sie aus organisatorischen Gründen nicht genützt werden. Sieben Schulen hätten elf freie Wochenstunden gemeldet, so Fezer. Ein Problem ist die Distanz zwischen Schule und Bad. Nachdem der Gemeinderat vor 15 Jahren die Regeln gelockert hat, ist (einfache Strecke) ein Fußweg von 20 Minuten oder eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln ohne Umsteigen zumutbar. Ohne Bus bleibt aber nicht viel Zeit zum Schwimmen.

Grundschullehrer haben Schwimmen abgewählt

Doch zu wenig Grundschullehrer verfügen über die nötigen Kenntnisse, um zu unterrichten. Im Weiterbildungsprogramm „Schwimmfix“ des Landesinstituts für Schulsport (LIS) in Ludwigsburg haben schon mehr als 100 Lehrer im Zwei-Tages-Kurs die Grundlagen vermittelt bekommen. Klaus Reischle vom sportwissenschaftlichen Institut der Uni Heidelberg hat das Schwimmfix-Projekt vor zehn Jahren installiert, es wurde mittlerweile von vielen Kommunen übernommen.

Er empfiehlt den Grundschulen, Nichtschwimmer etappenweise in kleinen Gruppen im Schwimmen zu unterrichten. „Der Rest der Klasse hat derweil Unterricht auf dem Sportplatz“, sagt Reischle. Nach wenigen Wochen könnten sich die Kinder über Wasser halten, sodass rasch ein gemeinsamer Schwimmunterricht möglich werde.

Mit diesem Konzept, so Reischle, sei in Heidelberg die Zahl der Nichtschwimmer in der zweiten Klasse von 50 auf neun Prozent gesunken. Wie groß der Bedarf an Schwimmnachhilfe in Stuttgarter Grundschulen ist, weiß aber niemand. Der Schwimmverband hat alle 72 Rektoren gefragt, aber nur zehn Antworten erhalten. Während sich Schairer über das Desinteresse ärgert, lässt Isabel Fezer mitteilen, es sei ihr „nicht bekannt“, an wen die Umfrage gerichtet gewesen sei.