Das Tiefbauamt der Stadt schlägt Alarm: Jedes Jahr fehlten Millionenbeträge, um den Verfall der Infrastruktur aufzuhalten. Noch könne man etwas dagegen tun, heißt es beim Tiefbauamt. Doch die Zeit drängt.

Stuttgart - Stuttgart bröckelt. Viele Straßen, Tunnel und Brücken verfallen, Reparaturen und Sanierungen werden immer dringlicher und immer teurer. Denn seit langem fehlen Jahr für Jahr zweistellige Millionenbeträge, um die Bausubstanz stabil und die Verkehrstechnik fit zu halten. Das brisante Thema steht am Dienstag im Ausschuss für Umwelt und Technik auf der Tagesordnung.

 

Laut Tiefbauamt betrug der Wert der städtischen Verkehrsanlagen inklusive des Straßennetzes und der Leittechnik Ende 2013 rund 1,46 Milliarden Euro. Heute, fast zwölf Monate später, sind es 60 Millionen Euro weniger, weil der Wertverlust im Jahr inzwischen so hoch ist. „Wenn nicht ausreichend in die Erhaltung investiert wird, dann schreitet der Substanzverlust immer schneller voran“, warnen die Tiefbauer. Doch von 2010 bis 2014 erhielten sie Jahr für Jahr zwischen 32,6 und 39,6 Millionen Euro zu wenig, um den Verfall der Verkehrsinfrastruktur aufhalten zu können.

Marodes Rondell

„Die Situation ist ernst“, sagt Wolfgang Schanz, der Leiter des Tiefbauamts. „Noch gibt es aber Möglichkeiten zu handeln, noch müssen wir keine Brücken sperren. Länger warten dürfen wir aber nicht mehr.“ Denn das vom Tiefbauamt verwaltete Infrastrukturvermögen sei die „Lebensader“ der Stadt, heißt es einer Vorlage für die Stadträte. Diese Funktion könnten Straßen, Brücken und Technik und Tunnel allerdings nur dann erfüllen, wenn sie sich in einem guten Zustand befänden.

Doch davon kann etwa beim Verkehrsrondell am Österreichischen Platz, bei der Rosensteinbrücke in Bad Cannstatt und beim Schwanenplatztunnel im Osten keine Rede mehr sein. Diese drei großen Verkehrsbauwerke – und viele mehr – gelten im Rathaus längst als marode. „Es besteht dringender Sanierungsbedarf der Betonkonstruktion. Verkehrsicherheit und Dauerhaftigkeit des Bauwerks sind gefährdet“, heißt es etwa in der Vorlage zum Schwanenplatztunnel. Das Gleiche gilt auch für die übrigen sieben als „dringlich“ eingestuften 30 bis 40 Jahre alten Bauwerke (siehe Tabelle), die aber lediglich „eine Auswahl“ darstellen.

Für manche Technik gibt es keine Ersatzteile mehr

Außerdem fehlen an vielen Stellen – etwa in dem Tunnelsystem Leuze-, Berger- und Schwanenplatztunnel – auch Brandmeldeanlagen und Videokameras. Auch die Elektro- und Steuerungstechnik der Röhren gilt als veraltet und muss rasch erneuert werden. Allein dieses Paket für die in die Jahre gekommenen Tunnel kostet laut Analyse des Tiefbauamts 2,9 Millionen Euro. Doch selbst dann sieht die Stadt noch lange kein Licht: Denn in der Wagenburgröhre und im Heslacher Tunnel müssen die Lampen und die Verkabelung erneuert werden. Auch bei der Vaihinger Ostumfahrung sowie im Planietunnel unter dem Schlossplatz besteht Handlungsbedarf, weil es für die vorhandene Technik inzwischen gar keine Ersatzteile mehr gibt.

Das Parkleitsystem in der City ist veraltet

Die Verkehrsröhren erweisen sich als teure Wege: Auch an der B 295 in Feuerbach und unter dem Pragsattel stehen Erneuerungen an, ebenso in der B 14-Passage unter dem Charlottenplatz. Fazit der Tiefbauer: „Das vorhandene Budget reicht nicht mehr aus.“ Denn allein für rund 700 Brücken, Tunnel und andere Bauwerke sind seit 2010 nur 1,45 Millionen Euro im Jahr als Sanierungsmittel verfügbar.

Zudem müssen immer mehr Ampelanlagen wegen der starken Bautätigkeit in der Stadt umgeplant und erweitert werden. „Rund 80 Prozent des Aufwands zur Erstellung neuer Signalprogramme werden durch Baumaßnahmen ausgelöst“, heißt es in den Informationen für die Stadträte. Vor allem Großprojekte wie der Rosensteintunnel beeinflussten die Ampelsteuerungen in ganzen Stadtteilen.

Straßensanierung ist „chronisch unterfinanziert“

Spätestens seit Eröffnung des Einkaufstempels Milaneo mit 200 Geschäften gilt auch das Parkleitsystem in der Innenstadt als veraltet. Dessen Steuerung basiere auf längst überholten Quartiers- und Parkierungsstrukturen, so die Tiefbauer. Bei der Integrierten Verkehrsleitzentrale an der Mercedesstraße mussten wegen gekürzter Haushaltsmittel bereits die Wartungsverträge für Verkehrrechner gekündigt werden. Inzwischen erfolgt deren Wartung nicht mehr präventiv, sondern nur noch anlassbezogen. Beim Ausfall von Rechnern gebe es deshalb „keine grünen Wellen und dynamische Eingriffsmöglichkeiten zur Luftreinhaltung“ mehr, warnen die Verkehrsexperten.

Auch die Sanierung von Straßen, Wegen, Plätzen, Bürgersteigen und Radwegen ist seit Jahren „chronisch unterfinanziert“. Mit 8,85 Millionen Euro stünden für dieses und das nächste Jahr 1,2 Millionen Euro zu wenig im Haushalt, so das Fazit der Straßenbauer. Bei weiterhin gleichem Budget wird sich laut Vorlage „der Zustand der Straßen in den nächsten Jahren deutlich verschlechtern“.

Um den fortschreitenden Verfall zu verhindern, müssten die Sanierungsmittel für die Straßen im nächsten Doppelhaushalt auf zehn Millionen und 2018/19 auf 14 Millionen Euro aufgestockt werden, empfehlen die Fachleute. Sollte es bei dem zu knappen Budget bleiben, so dürften um das Jahr 2030 bereits zwei Drittel des innerstädtischen Straßennetzes zur Zustandsklasse 4 und 5 gehören. „Das heißt im Klartext Note vier minus bis mangelhaft“, erklärt ein Fachmann.