Ohne Zwischenfälle ist am Stuttgarter Hauptbahnhof der Geburt Jesu gedacht worden. Die Sicherheitsbedenken der Bahn erwiesen sich als unbegründet. Statt der Piffe von Parkschützern stimmte der Posaunenchor „O du fröhliche“ an.

Stuttgart - Kurz nach 22 Uhr hat Heinz Gerstlauer, Pfarrer der Evangelischen Gesellschaft (eva), die traditionelle Andacht am Heiligenabend im Hauptbahnhof etwas unorthodox eröffnet. Oder besser: eröffnen müssen. Nämlich mit einer Sicherheitsansage. Der Pfarrer bat die Anwesenden, die Fluchtwege in der Bahnhofshalle freizuhalten. Und: „Die Parkschützer bitten wir, ihre Trillerpfeifen in der Tasche zu lassen und lieber mitzusingen.“

 

Sorgen der Bahn erweisen sich als unbegründet

Dass die Veranstaltung, zu der die Stadtmission der eva und der Posaunenchor der Evangelischen Jugend seit 65 Jahren in den Bahnhof einladen, nun doch stattfinden konnte, war auch der Hartnäckigkeit Gerstlauers und des Stadtdekans Sören Schwesig zu verdanken. Tatsächlich erwiesen sich bei der Feier die Bedenken der Bahn, es könne zu unkontrollierbaren Situationen kommen, als unbegründet.

Weihnachtsbotschaft auch auf Englisch und Arabisch

Und so konnten auch an diesem Heiligabend die Posaunen und der Gesang lässig das Rattern der Anzeigetafeln für die Züge übertönen. Mit „Es ist ein Ros entsprungen“ und „Stille Nacht, Heilige Nacht“, stimmten Musikanten und Zuschauer gleichermaßen den Saal auf das Ereignis ein: „Ein großes Wunder ist die Geburt eines Kindes“, sagte Gerstlauer, „ein großes Wunder ist aber auch die Kommunikation“. Wie üblich lasen auch Vertreter ausländischer Gemeinden die Weihnachtsbotschaft in ihrer Sprache, darunter auch auf Englisch und Arabisch. Pfarrer Gerstlauer zitierte auch ein indisches Mädchen: „Gott hat diese Welt nicht mit einer Bombe erschüttert, sondern mit einem Kind.“ Mit der zentralen Botschaft „Fürchtet euch nicht, auch wenn es draußen schlimm zugeht“, entließ Gerstlauer die Andächtigen wieder in die Nacht. Bei „O du fröhliche“ sangen alle mit – auch die Menschen mit den „Oben bleiben“-Buttons.

Seit fast sieben Jahrzehnten gibt es „eva’s Stall“

Damit niemand an den Feiertagen für sich sein muss, lädt auch die Stadtmission der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart jedes Jahr an Heiligabend und am ersten Weihnachtsfeiertag in „evas Stall“ im Haus der Diakonie an der Büchsenstraße ein. Jeder ist willkommen, keiner wird hier ausgegrenzt. Das ist laut Organisator Peter Meyer vielleicht auch der Grund, warum die Besucherzahlen fast jedes Jahr steigen. „Die Hürden zu uns zu kommen, sind niedrig“, sagt er. An machen Heiligabenden hatten sie schon um die 1000 Menschen im Haus, sagt der Leiter der Stadtmission.

Seit fast sieben Jahrzehnten, genau zum 69. Mal, veranstaltete die eva die Weihnachtsfeier mit Kaffee, Plätzchen und einem kleinen Programm. Ein Zauberer war in diesem Jahr dabei und das Ensemble „Dein Theater“ sorgte mit einem Krippenspiel, Liedern und Texten für eine besinnliche Stimmung. Mit einem großen Gottesdienst in der Leonhardskirche und der anschließenden Bescherung ging die Stallweihnacht traditionell zu Ende. „Beim Anblick eines handgestrickten Pullovers standen schon manch gestandenem Mann die Tränen in den Augen“, erzählt Peter Meyer.

Für den reibungslosen Ablauf sorgen 160 freiwillige Helfer

Auch für die meisten ehrenamtlichen Helfer ist der Heiligabend in „evas Stall“ längst eine liebgewonnene Tradition. Rund 160 an der Zahl sind an beiden Tagen laut Meyer im Einsatz. Der Stuttgart Erich Claß und seine Frau sind seit knapp fünf Jahren an Weihnachten dabei. „Unsere Kinder feiern Heiligabend mit ihren Familien, deshalb ist es für uns eine schöne Tradition geworden, hier zu helfen“, sagt Claß.