Auch am vierten Tag des Feinstaubalarms in Stuttgart haben die Schadstoffwerte die gesetzliche Messlatte von 50 Mikrogramm je Kubikmeter Luft gerissen. Nach Angaben der Stadt endet der erste Alarm am Freitag um 24 Uhr.

Stuttgart - Auch am vierten Tag des Feinstaubalarms in der Landeshauptstadt haben die Schadstoffwerte die gesetzliche Messlatte von 50 Mikrogramm je Kubikmeter Luft klar gerissen. Am Mittwoch lagen die mittlerweile online abrufbaren vorläufigen Näherungswerte der Messstation Neckartor über dem Zulässigen. Zuvor waren dort von Montag bis Mittwoch mit 89, 141 und 121 Mikrogramm ebenfalls deutlich überhöhte Schadstoffkonzentrationen gemessen worden.

 

Nach Angaben der Stadt endet der erste Feinstaubalarm in diesem Jahr am Freitag um 24 Uhr. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) habe für das Wochenende bessere Verhältnisse mit einem höheren Luftaustausch vorhergesagt, hieß es bei der Stadt. Deshalb seien die Alarm-Kriterien am Samstag und Sonntag nicht erfüllt. Es könne aber durchaus sein, dass am Samstag bereits der nächste Feinstaubalarm ausgerufen werden müsse, der dann vom kommenden Montag an gelte.

Fachleute von hohen Werten überrascht

Selbst Fachleute sind von dem am Dienstag gemessenen Feinstaub-Spitzenwert von 141 Mikrogramm überrascht worden. „Dieser Wert ist sehr hoch“, erklärte Ulrich Reuter, der Leiter der Abteilung Klimatologie im städtischen Umweltamt. Wegen des verwendeten kontinuierlichen Messverfahrens habe er allerdings keinen offiziellen Charakter, sondern diene nur der Information der Öffentlichkeit. Dieser vorläufige Wert könne bei dem von der EU vorgeschriebenen gravimetrischen Messverfahren noch um fünf bis zehn Mikrogramm nach oben oder unten abweichen. „Aber selbst 131 Mikrogramm wären immer noch ein stark überhöhter Wert“, so Reuter.

Die beiden sehr hohen Werte von Dienstag und Mittwoch liegen für den Klimatologen im langjährigen Mittel in der Schadstoff-Spitzengruppe. Noch aber kenne man die genaue Ursache dafür nicht. Die Mehrzahl der überhöhten Feinstaubwerte am Neckartor liege seit zehn Jahren zwischen 55 und 90 Mikrogramm.

Eingeschränkter Luftaustausch unter der „Käseglocke“.

Die leichte Abnahme am Mittwoch auf 121 Mikrogramm erklärt sich der Fachmann durch geringe Wetterveränderungen rund ums Neckartor. So sei es möglich, dass sich die Sperrschicht zwischen der kalten Luft am Boden und den darüber liegenden wärmeren Schichten etwas nach oben verschoben habe. Dadurch werde die den Stadtkessel abschirmende „Käseglocke“ ein wenig größer und damit auch etwas luftiger. Insgesamt sei der Luftaustausch in der praktisch windstillen Innenstadt allerdings zur Zeit erheblich eingeschränkt. Zudem sei ein gewisser Aufsummierungseffekt wegen der seit Montag anhaltenden stabilen Wetterlage festzustellen. „Vermutlich wurde aufgrund der Kälte in den vergangenen Tagen auch mehr geheizt“, so Reuter. Auch dadurch sei die Schadstoffbelastung gestiegen.

Das Verkehrsministerium kann zur Zeit noch keine ausführliche Alarm-Analyse bieten. „Wir beobachten die Entwicklung am Neckartor und in der Stadt aber sehr genau“, betont Günter Mezger, Leiter der Abteilung Luftreinhaltung. „Über eine solide Datenbasis für ein Fazit werden wir aber erst Anfang Februar verfügen.“

Kläger fordern Verkehrsbeschränkungen

Der Streit über die dicke Luft geht am 16. Februar auch juristisch weiter. Dann verhandelt das Stuttgarter Verwaltungsgericht nichtöffentlich über eine bereits im Januar 2015 eingereichte Klage zweier Anwohner der Landeshauptstadt. „Jetzt müssen die Gerichte entscheiden“, heißt es in der Presseerklärung des Rechtsanwalts Roland Kugler. Die Erfahrung der vergangenen Tage zeige, dass der Appell zum freiwilligen Verzicht auf das Auto bei Feinstaubalarm nicht funktioniere. Vor Gericht müsse es nun um weitere Maßnahmen zur Senkung der Feinstaubwerte gehen.

„Falls bei der Erörterung Mitte Februar keine Einigung erzielt wird, folgt eine öffentliche Verhandlung“, erklärte der ehemalige Stadtrat der Grünen. Ein am Neckartor wohnender Kläger habe bereits im Dezember 2015 vom Regierungspräsidium zusätzliche verkehrsbeschränkende Maßnahmen – etwa Umleitungen oder Sperrungen – gefordert. Hierüber hat das Regierungspräsidium noch nicht entschieden. Falls die Aufsichtsbehörde sich in den nächsten drei Monaten nicht zur Sache äußere, werde man eine weitere Klage beim Verwaltungsgericht einreichen. Spätestens dann werde von den Richtern entschieden, ob die freie Fahrt für freie Autofahrer auch dann wichtiger sei, wenn Anwohnern erhebliche Gesundheitsgefahren drohten.