Wenn das Rathaus Feinstaubalarm auslöst, müssen sogenannte Komfort-Kamine kalt bleiben. Doch der Abgleich mit Daten der Schornsteinfeger ist komplexer als gedacht – zudem fehlt es an Personal für die Kontrollen.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Wenn die Stadt Feinstaubalarm auslöst, dürfen seit Ende Januar sogenannte Komfortkamine in Stuttgart nicht mehr angeschürt werden. Doch die Stadt hat kaum Möglichkeiten zu kontrollieren, ob dieses Verbot auch eingehalten wird. Mehr noch: Im Rathaus gibt es keine belastbaren Zahlen, wie viele dieser Feuerstätten es überhaupt in der Stadt gibt.

 

Kontrolliert wurde letztmals im April

Seit Beginn der aktuellen Feinstaubalarm-Periode, also seit dem 15. Oktober, gibt es mangels Personal keine Kontrollen, ob sich die Ofenbesitzer auch regelkonform zeigen. „Grundsätzlich geht die Stadt davon aus, dass sich die Bürgerinnen und Bürger gesetzestreu verhalten, also auch im Falle dieser Verordnung“, sagt Rathaussprecher Sven Matis.

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Weil man sich aber offensichtlich in den Amtsstuben des angeblichen Lenin-Wortes erinnert hat, wonach Vertrauen gut, Kontrolle aber besser sei, habe sich in der zurückliegenden Feinstaubsaison, die im April endete, kurzfristig ein Mitarbeiter gefunden, der nach dem Rechten gesehen habe. „Der Schornsteinfeger war etwa einen Monat lang in Halbhöhenlage um den Talkessel herum unterwegs, um Anzeichen des Betriebs von Komfortkaminen zu finden, Informationen zu verteilen und Aufklärungsgespräche zu führen“, heißt es in einer Stellungnahme des Amts für Umweltschutz auf eine Anfrage der Stuttgarter Zeitung. Während seines Einsatzes von Mitte März bis Mitte April habe der Mann ein ausführliches Gespräch geführt und sei zudem von Fußgängern angesprochen worden, welche Auswirkungen die Verordnungen aufs Grillen oder das Verbrennen von Gartenabfälle habe.

Wie viele Komfort-Kamine gibt es in der Stadt?

In der aktuellen Alarmperiode finden keine Kontrollen statt. Es war „bislang nicht möglich, Personal für die Überwachung zu gewinnen“, heißt es aus dem Rathaus. Denkbar dünn ist auch die Datenbasis, auf deren Grundlage die Überprüfungen hätten stattfinden sollen. Es gebe „trotz intensiver Bemühungen der Stadt keine verwertbaren Datensätze zu den geschätzt 20 000 Komfort-Kaminen. Dies liegt daran, dass sich das Auswerten und Übertragen der Daten aus den Kehrbüchern der Schornsteinfeger als schwieriger erwies als angenommen“.

Deren stellvertretender Innungsobermeister, Erwin Schmidt, bestätigt die Komplexität. Die Schornsteinfeger führen die Kehrbücher längst nicht mehr von Hand. Und die eingesetzten Computerprogramme seien je nach Hersteller unterschiedlich. Zudem werde die Art der Heizanlage nur bei der sogenannten Feuerstättenschau erhoben. Die finde zweimal in sieben Jahren statt. Einen echten Überblick über die Menge der sogenannten Komfortkamine gebe es nicht. Außerdem müssten beim Austausch natürlich auch die Belange des Datenschutzes gewahrt bleiben. „Natürlich beraten wir Besitzer von solchen Öfen, wenn wir vor Ort sind“, sagt Schmidt. Dabei gehe es etwa um die richtige Schichtung des Holzes im Ofen und die Frischluftzufuhr.

Ausnahmegenehmigungen sind möglich

Damit die Stadt Kontrollen vornehmen kann, hat in den derzeit laufenden Haushaltsberatungen das Amt für Umweltschutz zwei 0,5-Stellen beantragt. Eine davon soll für die Vor-Ort-Besuche eingesetzt werden, die andere für Verwaltungstätigkeiten. Dabei geht es unter anderem um die Bearbeitung von Ausnahmeanträgen. Komfortkamine dürfen auch während Alarmtagen benutzt werden, wenn sie nachweislich die in der Bundes-Immissionsschutzverordnung festgelegten Grenzwerte einhalten – oder die einzige vorhandene Heizungsart sind. 393 dieser Anträge sind bei der Stadt mittlerweile eingegangen, 160 Ausnahmegenehmigungen wurden erteilt, zwölf Anträge zurückgezogen. Der Rest ist noch in Arbeit. Ob das Amt die zusätzlichen Stellen bekommt, steht am 15. Dezember fest, wenn der Gemeinderat den Haushalt beschließt.