Die Feinstaub- und Stickoxid-Grenzwerte in Stuttgart sind auch in diesem Jahr überschritten. Bis Ende Dezember will das Landes-Verkehrsministerium in einem Gutachten Vorschläge für die Minderung vorlegen.

Stuttgart. - Den Autofahrern in Stuttgart ist von diesem Freitag an eine kurze Verschnaufpause gegönnt. Die Stadtverwaltung hebt den am 21. November ausgerufenen Feinstaubalarm auf. Langfristige Entspannung ist aber nicht angesagt. Bereits von Sonntag an könnte die dann dritte Alarmphase in diesem Herbst beginnen. Und von 2018 an müssen alle Dieselfahrer damit rechnen, an den Stadtgrenzen vor einem Verbotsschild zu stehen.

 

Seit dem 21. November ermittelte die Landesanstalt für Umwelt und Messungen (LUBW) mit Sitz in Karlsruhe sechs Tage, an denen der Feinstaub-Grenzwert von im Tagesmittel 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft überschritten worden ist. Die Trefferquote lag damit bei 54 Prozent. Allerdings wurde der Grenzwert vom vergangenen Freitag bis Dienstag deutlich unterschritten. Warum wurde der Alarm an diesen fünf Tagen nicht aufgehoben?

Einmaliges Prognosemodell

Das Prognosemodell des Deutschen Wetterdienstes (DWD) war nach den ersten Alarmphasen im Frühjahr 2016 weiter verfeinert worden. „Wir mussten ein ganz neues System entwickeln. Es ist bundesweit einzigartig, und es gibt bislang auf diesem Gebiet kein präziseres Modell, um das Austauschvermögen der Atmosphäre und damit die Luftqualität in Stuttgart vorherzusagen“, sagt Uwe Schickedanz, Leiter der DWD-Niederlassung. Ein neues Kriterium für den Alarm ist eine Konzentration von mehr als 30 Mikrogramm am Neckartor und fehlender Regen.

„Der kalte Ostwind in dieser Woche wurde vom System vielleicht nicht ausreichend erfasst“, bewertet Stadtklimatologe Ulrich Reuter die fünf Tage ohne Überschreitung am Neckartor. Angesichts von inzwischen 45 Überschreitungstagen – die EU lässt 35 zu – wundert sich Reuter über das Beharrungsvermögen der Autofahrer. Der Verkehrsrückgang lag trotz Umstiegsaufrufen und Kindertickets für Erwachsene bei nur drei Prozent, also „innerhalb der statistischen Ungenauigkeit“. Manche wollen das Auto nicht missen, sagt Reuter. Das sei „eine Frage der Bequemlichkeit, vielleicht auch der Unabhängigkeit“.

Gutachten bis Jahresende

Mit Blick auf die für 2018 drohenden Fahrverbote haben die Verwaltung Schreiben mit Bitten um eine Ausnahmegenehmigung erreicht. „Wir hatten eine Anfrage, ob man mit einem Klaustrophobieattest weiter fahren dürfte“, sagt Reuter. Eine Antwort gibt es darauf nicht.

Bis zum Jahresende soll das Wirkungsgutachten des Verkehrsministeriums vorliegen und aufzeigen, welche Eingriffe vor allem in den Verkehr zu welcher Reduzierung der gesundheitsschädlichen Stoffe führen. Im Fokus liegt dabei nicht nur der Feinstaub, bei dem es über die Jahre einen Rückgang bei der Zahl der Überschreitungstage gab. Sorge bereitet nun auch das Stickstoffdioxid. Der Jahresmittelwert ist 2015 mit 87 Mikrogramm ( Grenze bei 40) weit überschritten, der 1-Stunden-Mittelwert (Grenze: 200 Mikrogramm) auch. Allein im September 2016 wurde dieser zwölfmal gerissen, erlaubt sind 18 Überschreitungen. Jede Maßnahme für sich bringe wenige Prozentpunkte, sagt Reuter.

Einfahrtverbot für Diesel als Lösung

Eine Maßnahme könnte das Problem lösen: das Einfahrtsverbot für Diesel, wie es Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) dem Landes-Verkehrsministerium im Frühjahr empfohlen hat und wie es auch die Deutsche Umwelthilfe bei ihren Klagen thematisiert. Die gegen Stuttgart soll im Frühjahr 2017 verhandelt werden.

39 Prozent Minderung werden mit dem Einfahrtsverbot berechnet. „Wenn ich mit temporären Maßnahmen gegen Stickoxid angehe, kann ich nicht erwarten, die Grenze beim Jahresmittel einzuhalten“, sagt Reuter. Dazu müssten Dauermaßnahmen ergriffen werden. Also zum Beispiel das Einfahrtsverbot für Diesel. Wie bereitet die Stadt die Bürger darauf vor? „Solange ich nicht weiß, was 2018 kommt, weiß ich auch nicht, wie man die Bevölkerung vorbereiten sollte“, sagt der Experte.