Ohne weniger Verkehr bleibt die Gesundheitsgefahr durch erhöhte Feinstaubwerte weiterhin groß. Doch die Politik drückt sich um Entscheidungen, die weniger Verkehr in den Städten bedeuten würden, meint StZ-Redakteur Wolfgang Schulz-Braunschmidt.

Stuttgart - Nach fast zehn Jahren Umweltkosmetik am Neckartor ist der EU-Kommission der Kragen geplatzt. Der Brandbrief aus Brüssel macht deutlich, dass man sich dort beim Kampf gegen die dicke Luft nicht mehr mit auf Umweltpapier drapierten Floskeln zufriedengibt. Jetzt sind wirkungsvolle Taten gefragt.

 

Ohne deutlich weniger Verkehr am Neckartor und im Stadtkessel sind die gesundheitsschädlichen Feinstaubwerte auf absehbare Zeit nicht unter den seit 2005 geltenden Grenzwert zu drücken. Aber um diese unangenehme Tatsache drückt sich die Politik schon zu lange herum.

Stattdessen wurde lieber viel Geld für einen angeblich Wunder bewirkenden Feinstaubkleber verschwendet. Immerhin konnte der Plan, die täglich gut 80 000 Fahrzeuge am Neckartor mit Pförtnerampeln weit vor den Feinstaubsensoren zu stoppen, um sie dann bei Grün „auf Schleichfahrt“ an den Messfühlern vorbeizuschleusen, verhindert werden. Das hätte die Werte geschönt, der Umwelt aber kein einziges Nanogramm Schadstoff erspart.

Am Jahresende wird das Feinstaub-Ergebnis dank günstiger Wetterlagen mit 60 plus x Tagen „nur noch“ knapp doppelt so hoch wie der Grenzwert von 35 Tagen ausfallen. Als Lichtblick bei den Maßnahmen gilt Tempo 40 an Steigungsstrecken. Ansonsten besteht der vom Regierungspräsidium aufgepeppte Luftreinhalteplan aus Gemeinplätzen – etwa mehr Werbung für den Nahverkehr und Elektroautos. Mit so dünnen Papieren lässt sich die dicke Luft aber nicht beseitigen – das hat Brüssel jetzt unmissverständlich klargestellt.