Ein Diskussionsabend über die umstrittene Blockade einer Polizeiaktion in einer Flüchtlingsunterkunft in Fellbach verläuft konstruktiv. Das Thema Asyl wird von den rund 100 Beteiligten auf hohem Niveau behandelt.

Schmiden - Erst kurz vor Schluss des mehr als zweistündigen Diskussionsabends im Maximilian-Kolbe-Haus meldete sich einer jener Menschen zu Wort, die das Thema Asyl und Rechtsstaat am direktesten betrifft. Für den jungen Syrer ist die ablehnende Haltung mancher Fellbacher Bürger gegenüber Asylbewerbern offenbar unverständlich. Er verwies darauf, dass beispielsweise Jordanien und der Libanon deutlich mehr Flüchtlinge aufgenommen hätten als Deutschland. Ohnehin komme niemand so einfach hierher: „Es gibt viele Menschen, die zahlen 9000 Euro und verkaufen ihren Haushalt, um nach Deutschland zu kommen.“ Und er habe auch kein teures Mobiltelefon, sagte der seit sechs Monaten hier lebende Mann an eine zuvor auftretende Frau gerichtet.

 

Die meinte, eine Gerechtigkeitslücke zwischen den Leistungen für Flüchtlinge und für einkommensschwache Einheimische erkannt zu haben und verlieh ihrer Angst vor Überfremdung offen Ausdruck. „Was wollen all die jungen Männer hier, die kommen doch nur auf dumme Gedanken.“

Rund 100 Menschen haben die Abschiebung verhindert

Hintergrund der Veranstaltung war die nächtliche Blockade einer Polizeiaktion in einer Fellbacher Flüchtlingsunterkunft am 25. Juni, mit der rund 100 Menschen die Abschiebung eines Gambiers verhindert haben. Dass die von der Fellbacher FDP organisierte und von Maximilian Lenk souverän geleitete Diskussion an diesem Punkt nicht ins Niveaulose abgeglitten ist, war der Vernunft aller gut 100 Beteiligter zu verdanken. Ohnehin stellte niemand im Saal das Asylrecht an sich in Frage. Der ehemalige Justizminister Ulrich Goll (FDP), der im Freundeskreis für Flüchtlinge aktive Oeffinger Pfarrer Volker Gemmrich, Fellbachs Polizeichef Klaus Auer und Andreas Linder als ebenfalls auf dem Podium vertretener Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Baden-Württemberg unterhielten sich vielmehr über eine andere Grundsatzfrage. Dürfen Normen in einem demokratischen Rechtsstaat von Einzelnen außer Kraft gesetzt werden und wenn ja, in welchen Fällen?

„Spielregeln sind nicht in Stein gemeißelt“, sagte dazu Andreas Linder und verwies auf ständige Gesetzesänderungen. Regelverletzungen wie im Fall der Fellbacher Blockade „kann und muss der bürgerliche Staat aushalten“. Das gelte umso mehr, als Aktionen zivilen Ungehorsams stets auf die Verbesserung des Staatswesens abzielten.

Polizeichef sieht klare Rechtsverstöße

Für Klaus Auer hingegen ging die Aktion über zivilen Ungehorsam hinaus: „Hier waren klare Rechtsverstöße zu erkennen.“ Ohnehin seien die Ordnungshüter lediglich ausführendes Organ: „Die Polizei schafft nicht das Recht, die Polizei vollzieht das Recht.“ Klaus Auer, der mit einem bei der Blockade gemachten Zitat für Aufregung gesorgt hatte, bedauerte seine Äußerung, die zudem aus dem Zusammenhang gerissen worden sei. Unabhängig davon gab es im Maximilian-Kolbe-Haus einhelliges Lob für die besonnene Haltung der Polizei vor Ort, die darauf verzichtete, die Abschiebung mit Gewalt durchzusetzen.

Ulrich Goll hob die Bedeutung des Einhaltens von Gesetzen hervor: „Es ist eigentlich klar, dass eine freiheitliche Gesellschaft nur funktionieren kann, wenn bestimmte Spielregeln eingehalten werden.“ Andernfalls sieht der Juraprofessor die Gefahr der Stärkung von gegen Flüchtlinge eingestellten Kreisen. Um Akzeptanzprobleme zu verhindern sei es zudem wichtig, dass „diejenigen, die abgeschoben werden können, auch abgeschoben werden.“

Pfarrer empfiehlt friedlichen Weg

Volker Gemmrich, der selbst unter den Demonstranten war, erwähnte den am Ende des Rechtswegs möglicherweise entstehenden Gewissenskonflikt. Die Abschiebung einfach hinzunehmen sei die eine, „aktiv werden, sich friedlich in den Weg stellen“ die andere Möglichkeit. Der evangelische Pfarrer ging auch auf die Bereicherung ihres Lebens ein, die viele Mitglieder des Freundeskreises für Flüchtlinge durch die Beschäftigung mit Asylsuchenden erfahren würden. Viele hätten „eine neue Dimension des Glaubens erlebt, und das ist bei mir genauso“.

Mehrfach kam am Montagabend Unmut über den Nachgang der Blockade auf. Der Fellbacher Unternehmer Ulrich Daser warf Fellbachs Oberbürgermeister Palm vor, er habe durch seine Kritik „sinngemäß mit den Freunden gebrochen“. In diesem Zusammenhang zeigte sich Daser erfreut darüber, dass „keine Kluft zwischen den Asylanten und den Fellbachern da ist.“