Der Fellbacher SPD-Stadtrat Gökay Sofuoglu war als Vorsitzender der Türkischen Gemeinde Deutschland beim Integrationsgipfel. In Berlin hat er auch gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die Bundespressekonferenz gestaltet.

Fellbach/Berlin - So nah kamen bisher einem deutschen Kanzler oder einer Kanzlerin wohl noch wenige Fellbacher. Schulter an Schulter sitzend, nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, präsentierten sich jetzt Angela Merkel und der Fellbacher SPD-Stadtrat Gökay Sofuoglu im Kanzleramt Dutzenden von Reportern.

 

Dass der 54-Jährige somit ins Zentrum der Macht vordringen konnte, hängt natürlich nicht mit seinem Mandat als Fellbacher Lokalpolitiker zusammen. Denn Sofuoglu ist seit Mai 2014 Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland. Und in dieser Eigenschaft nahm er nun am 9. Nationalen Integrationsgipfel teil, der Anfang der Woche in Berlin stattfand.

Sofuoglu sagt: Rassisten in Deutschland werden immer lauter

Dass Sofuoglu allerdings nicht nur ein ganz normaler Teilnehmer der mit 100 Köpfen besetzten Runde war, zeigte sich nicht nur während des eigentlichen Expertengesprächs, das nach Angaben des Fellbachers von 12.30 bis 15.30 Uhr dauerte. Sondern speziell daran, dass er anschließend die Bundespressekonferenz gemeinsam mit der Kanzlerin gestalten konnte. Sofuoglu erklärte dabei: „Teilhabe als politische Haltung ist der Weg, einen deutschen Trump zu verhindern.“ Im Übrigen sei es gut, dass Angela Merkel dieses Thema samt Gipfel „zu einer Chefinnensache“ gemacht habe. Zudem warnte er, „dass die Rassisten in Deutschland immer lauter, die Nicht-Rassisten immer leiser werden“.

Auch davor und danach wurden Sofuoglus Stimmbänder reichlich strapaziert. Ein Fernsehteam nach dem anderen rückte an und streckte ihm für Interviews die Mikrofone entgegen. Am Abend waren seine Aussagen dann im ZDF in „Heute“, auf RTL, NTV, im MDR oder in diversen anderen Nachrichtenkanälen zu sehen.

Wobei, völlig neues Terrain war dieser Medienrummel für den Fellbacher, der in Gemeinderatsitzungen oder bei öffentlichen Veranstaltungen meist sehr besonnen und zurückhaltend auftritt, keineswegs. Denn als quasi oberster Vertreter der Türken in Deutschland ist Sofuoglu ein äußerst gefragter Mann – egal ob’s um Präsident Recep Tayyip Erdogan, um Flüchtlingsströme oder ein türkisches Grubenunglück geht. Dabei agiert er stets mit einer gewissen Ruhe, hat fast Routine entwickelt.

Der Fellbacher wurde im türkischen Kayseri geboren

Das empfand auch Sofuoglu selbst so, als er am Abend wieder zurück im heimatlichen Fellbach war – und sich selbst im Sender Phönix auf der Mattscheibe sprechen sehen konnte. „Also, aufgeregt habe ich nicht gewirkt, ich fand meinen Auftritt ok“, so seine Selbsteinschätzung gegenüber unserer Zeitung. Im übrigen versuche er, „jedesmal auch Fellbach zu erwähnen, wenn ich Interviews zu Bundesangelegenheiten gebe“, sagt er schmunzelnd.

Sofuoglu wurde am 21. März 1962 im türkischen Kayseri (300 Kilometer südöstlich von Ankara gelegen) geboren, wo er auch sein Abitur ablegte. 1980 floh er nach dem Militärputsch in der Türkei nach Stuttgart, seit 1986 lebt er in Fellbach. Er studierte Sozialpädagogik und arbeitet als Sozialarbeiter, zunächst in Kornwestheim, seit 1990 bei der Caritas im „Haus 49“ im Stuttgarter Nordbahnhofviertel.

Gestern Berlin, heute Stuttgart – und zwischendrin immer mal wieder die Fellbacher Kommunalpolitik mit Bau- oder Sozialausschuss oder einer diskussionsfreudigen Mitgliederversammlung seiner SPD. Doch der nächste Flug nach Frankfurt oder Istanbul folgt bestimmt in naher Zukunft.