Namensgeber der berühmten Brücke am Bahnhof ist der noch berühmtere Dirigent Ferdinand Leitner, der untrennbar mit Stuttgart verbunden ist.

Stuttgart - Er ist von Protestlern besetzt, mit Transparenten behängt und von Polizisten geräumt worden – was ihn in den letzten Wochen und Monaten zu einem stehenden Begriff im Streit um Stuttgart 21 gemacht hat: der Ferdinand-Leitner-Steg, dessen Ausläufer sich um jene umkämpften Bäume schlängelt, in denen Juchtenkäfer siedeln. Frei schwebend über der Schillerstraße gewährt er von seinem höchsten Punkt den besten Blick in den Schlossgarten - zuletzt allerdings nicht: Zwei Wochen lang war der Steg als einer der Zugänge in die Mittleren Anlagen gesperrt, seit Dienstag gehört er aber wieder den Fußgängern und Radfahrern.

 

Namensgeber ist der Dirigent Ferdinand Leitner

Was viele von ihnen vielleicht nicht mehr wissen: Namensgeber der berühmten Brücke am Bahnhof ist der noch berühmtere Dirigent Ferdinand Leitner, der zwar 1912 in Berlin geboren wurde und 1996 in Zürich starb, aber untrennbar mit Stuttgart verbunden ist. Zweiundzwanzig Jahr lang, von 1947 bis 1969, hat Leitner das Musikleben der Landeshauptstadt maßgeblich geprägt und bestimmt: erst als Opernchef, später als Generalmusikdirektor der Württembergischen Staatstheater. „22 Jahre stand ich an der Spitze dieses wohl traditionsreichsten deutschen Orchesters“ schrieb Leitner Mitte der 90er Jahre selbst über seine Stuttgarter Tage. „Von der Renaissance über das Barock, die Klassik bis in die Neuzeit hat das Württembergische Staatsorchester die ‚,holde Kunst’ maßgeblich beeinflusst.“

Ensemble der Stuttgarter Oper bekannt gemacht

Sein Handwerk gelernt hatte Leitner von den Großen seiner Zunft, unter anderem studierte er bei Franz Schrecker und Artur Schnabel. Zusammen mit Sergiu Celibidache, Georg Solti, Günter Wand, Kurt Sanderling und Erich Leinsdorf gehörte er zudem zum legendären Dirigentenjahrgang 1912. Auf der Stuttgarter Opernbühne, der er zu enormem Renommee verhalf, schmiedete Leitner zusammen mit dem damaligen Regisseur und Wagner-Enkel Wieland den „Ring der Nibelungen“, gleichzeitig machte er Stuttgart zu den bedeutendsten Spielstätten für Mozart, Strauss und Carl Orff. Und er war es auch, der das Ensemble der Stuttgarter Oper im Jahr 1951 auf ihre erste Auslandsreise nach Paris führte und in der Folge international bekannt machte. Leitner selbst war zu dieser Zeit bereit berühmt genug, dass ihm Igor Strawinsky die Uraufführung seiner Oper „Rake’s Progress“ in Venedig anvertraute.

Wechsel nach Zürich wurde ihm nicht übel genommen

Entsprechend groß waren die Eruptionen in der Stuttgarter Musikwelt, als der begehrte und gefeierte Dirigent 1969 nach Zürich ging. Vergessen oder übel genommen hat ihm sein Publikum den Wechsel aber offenbar nicht: wann immer Leitner später in der Liederhalle oder im Opernhaus ans Pult trat, zuletzt 1991, wurde er so herzlich wie kein anderer Dirigent begrüßt. Zurückgelassen hat er neben 300 Platteneinspielungen eben jenen Steg, der in den Stuttgarter Schlossgarten führt, schwungvoll, elegant und denkmalgeschützt.