Ferdinand Piëch galt als unanfechtbarer Herrscher bei Volkswagen - und formte aus dem einstigen Übernahme-Kandidaten einen Weltkonzern. Ein heftiger Machtkampf beendet nun die Ära des VW-Patriarchen.

Wolfsburg - Ende einer Epoche in der Auto-Welt: Ferdinand Piëch (78) kehrt nach Jahrzehnten bei Volkswagen Deutschlands größtem Unternehmen den Rücken. Ein heftiger Machtkampf - ausgerechnet mit Martin Winterkorn, seinem Ziehsohn und späteren Nachfolger an der Vorstandsspitze - beendet die beispiellose Karriere des Aufsichtsratsvorsitzenden in dem Wolfsburger Weltkonzern.

 

Dass Piëch nach einem zweiwöchigen Schattenboxen hinter den Kulissen und Rätselraten um seine Motive für das Abrücken von Winterkorn so schnell innerhalb des Kontrollgremiums an Rückhalt verlieren würde, überrascht: Der Autonarr galt bisher als unantastbares Machtzentrum von VW. Knapp, aber schonungslos demontierte er vor 14 Tagen seinen langjährigen Vertrauten Winterkorn - sechs Worte reichten dafür aus: „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“, sagte Piëch dem „Spiegel“. Genau so knapp und schonungslos wurde er nun selbst abgesetzt.

Piëch sieht VW als sein Lebenswerk

Äußerungen dieser Art waren Legende. „Göttervater“ nannte ein Kleinanleger Piëch einmal - dessen Aussagen prinzipiell gefürchtet sind. Im Jahr 2009 mitten im Übernahmekampf mit Porsche meinte Piëch auf die Frage, ob der damalige Porsche-Chef Wendelin Wiedeking sein Vertrauen genieße: „Zur Zeit noch. Streichen Sie das „noch“!“.

Der Enkel des Käfer-Konstrukteurs Ferdinand Porsche sieht VW als sein Lebenswerk. Aus dem einstigen Übernahme-Kandidaten formte er einen internationalen Konzern, in dem inzwischen vom Motorrad über den Pkw bis zum Schwerlaster die gesamte Automobilpalette vom Band rollt. Der Österreicher verband als Aufsichtsratschef und Patriarch seine Liebe zur Technik mit strenger Führung und familiärem Unternehmertum.

Ferdinand Karl Piëch, so sein voller Name, lenkte den Konzern selber von 1993 bis 2002 und überwachte ihn anschließend als Chefaufseher. Sein Familienstamm Porsche/Piëch ist Großaktionär bei Volkswagen.

Über das Erfolgsrezept für gelungene Führung sagt Piëch in seiner Autobiografie: „Die Vorstellung einer höchstkarätigen inneren Mannschaft von fünf bis zehn Leuten, deren Zusammenspiel wiederum nur ein Einzelner im Detail lenkt, hat mich ein Leben lang nicht losgelassen. Es ist für mich das wichtigste Rezept geblieben, wie man tatsächlich Vorsprung gegenüber dem Wettbewerb erzielen kann.“

Der starke Fokus auf Einzelne, der sich im Tandem Winterkorn/Piëch wiederfand, war allerdings auch umstritten - zumindest extern. 2012 soll Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) Piëch als einen „Außerirdischen“ bezeichnet haben. Es ging damals um geeignete Regeln für die Machtbalance in Großkonzernen, um firmeninterne Richtlinien für gute Unternehmensführung und um die Vorstandsvergütung.

In jüngerer Zeit drehten sich auch VW-interne Debatten um den Königsweg zur Steuerung des PS-Imperiums. Volkswagen müsse Strukturen verstärkt infrage stellen, sagte Betriebsratschef Bernd Osterloh. Nicht alles lasse sich von Wolfsburg aus machen. Was nun nach der Ära Piëch kommt, dürfte die Auto-Welt über Wochen und Monate bewegen.

Über Stationen bei Porsche und Audi kam Piëch nach Wolfsburg - und er ist jemand, der auch einen Motor zusammenschrauben kann. Der gelernte Maschinenbauer ist ein Technik-Freak. Privat segelt er gern, beschäftigt sich mit fernöstlicher Kultur und japanischer Ethik.

Es gibt viele Superlative über Piëch

Piëch graduierte 1962 mit einer Arbeit über Formel-1-Motoren zum Diplom-Ingenieur. In Mitarbeiterkreisen kursieren Mythen über ihn. Er gilt als äußerst detailversessener Stratege, der sich nach außen meist reserviert gab - nach innen aber auch kräftig austeilen konnte.

Nicht nur bei der am Ende für VW siegreichen Schlacht gegen Porsche bildete Piëch die zentrale Klammer in dem weit verzweigten Autoreich. Sein Wort war oft das Maß der Dinge. Diejenigen, die ihn gut kennen, beschreiben Piëch als einen, der mit dem Nimbus des Machtmenschen aber auch hadert: Er sei gar nicht so, wie die Medien ihn zeichneten.

In der Öffentlichkeit erschien Piëch meist in Begleitung von Ehefrau Ursula (58). Rechtzeitig holte er sie in den Aufsichtsrat. Arm in Arm flanierten beide über Messen und Termine. Sein Milliarden-Erbe regelt Piëch über ein Stiftungskonstrukt. Beim Abtritt aus dem Aufsichtsrat folgt ihm nun auch seine Frau aus der Schaltstelle der Macht.

Es gibt viele Superlative über ihn. „Piëch hat die Automobilbranche geprägt wie kein Zweiter“, sagte etwa Altkanzler Gerhard Schröder Anfang 2014 in einer Laudatio auf den Österreicher. Der entgegnete, Autobauen sei doch nur sein „Hobby“. Der plötzliche Rücktritt nach einer für viele Beobachter rätselhaften Attacke auf seinen - auch im Aufsichtsrat de facto als Nachfolger gesetzten - Partner Winterkorn stellt nun einige Fragezeichen hinter das Vermächtnis des „Alten“.

Am Ende bleibt jedoch auch jede Menge Bewunderung - und Dank: „Ohne zu übertreiben, ist festzustellen, dass er eine der bedeutenden Persönlichkeiten der bundesdeutschen Wirtschaftsgeschichte ist“, sagt Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) über Piëch.