Trotz gruseliger Nachrichtenlage zieht es die Menschen in den Urlaub, zeigt ein Besuch beim Flughafen Stuttgart. Angst vor Terror und Unruhen hat kaum einer – selbst Touristen, die es in die Türkei zieht.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Stuttgart - Überdimensionierte Werbebanner im Terminal 1 des Stuttgarter Flughafens zeugen davon, dass „Turkish Airlines“ ein Unternehmen mit großem Selbstbewusstsein war. Doch da ist kaum jemand, der sich in der Halle aufhält. Nach den Unruhen in der Türkei und dem gescheiterten Putschversuch des Militärs ist es um den Tourismus in der Türkei schlecht bestellt. Darauf hatte auch die Fluggesellschaft prompt reagiert – und mehr als 200 Mitarbeiter entlassen.

 

Dabei gab es am Freitag 342 Flugbewegungen in Stuttgart. Das ist der absolute Spitzenreiter in diesem Jahr. „Die Türkei ist als Reiseziel zwar immer noch beliebt, aber längst nicht mehr so beliebt wie früher“, sagt Beate Schleicher, eine Sprecherin des Flughafens. Das gilt nicht nur für deutsche Touristen. Das Tourismusministerium der Türkei verzeichnete im Juni ein Minus von 40 Prozent an Besuchern aus dem Ausland. Das ist der größte Einbruch seit 1994, als die Zahlen erfasst werden.

Flüge in die Türkei häufig schon früh gebucht

Eine von denen, die sich durch Putsch, Bombenattentate und andere Probleme, mit denen das Land derzeit zu kämpfen hat, nicht schrecken lässt, ist Nicole Kloster. Der Flug nach Istanbul, den die 22-Jährige Erzieherin mit ihrem Freund antritt, ist schon seit einem halben Jahr gebucht. „Meine Eltern machen sich aber Sorgen“, sagt Kloster. Darum will sie sofort anrufen, sobald sie sicher gelandet ist – und sich von da an täglich über den Internet-Kommunikationsdienst Skype melden.

Eine türkische Familie, die am Check-in wartet, schätzt die Lage ganz anders ein. Der 44-jährige Familienvater, ein Lagerarbeiter aus Ulm, befürwortet Erdogans Politik der harten Hand, will seinen Namen aber nicht in der Zeitung lesen, weil seine Meinung in Deutschland unpopulär sei, wie er sagt. „Wegen Erdogans konsequentem politischen Kurs fühle ich mich in meiner Heimat sicher“, sagt er. Außerdem sei in seinem Heimatdorf, 150 Kilometer von Istanbul entfernt, ohnehin nicht viel los.

Sicherheitsvorkehrungen wurden erhöht

Trotz der Nachrichtenlage, trotz Terrorangst, ist die Stimmung unter den Touristen unbekümmert. Eine junge Mutter im Terminal 3, wo der Andrang deutlich größer ist, bemerkt, dass sie noch nicht einen Polizisten am Flughafen gesehen habe.

Das hat Gründe. Die Bundespolizei hat zur Sommerferiensaison die Sicherheitsmaßnahmen zwar erhöht, achtet dabei aber auf Diskretion. „Über so etwas wie Sicherheit mache ich mir überhaupt keine Gedanken“, sagt die junge Frau im Terminal 3. Für sie geht es nach Palma de Mallorca.

Die spanische Insel ist für Stuttgarter Touristen auch dieses Jahr wieder das beliebteste Reiseziel. „Das ist schon seit Ewigkeiten so“, sagt Flughafensprecherin Schleicher. An der zweiten Stelle steht nach wie vor die Türkei, aber auch Griechenland ist in dieser Urlaubssaison wieder sehr populär. Italien konnte im Vergleich zum Vorjahr deutlich an Besuchern zulegen. „Ägypten war früher auch mal sehr beliebt – aber aufgrund der politischen Lage ist das Land als Reiseziel mittlerweile völlig außen vor“, sagt Schleicher weiter.

Anzeigetafeln helfen bei Wegfindung

Dass heitere Urlaubsstimmung in den Terminals herrscht, liegt nicht nur am unauffälligen Auftreten der Bundespolizei, sondern auch am logistischen Management des Flughafens. Trotz des Andrangs von insgesamt 35 000 Menschen an diesem Tag sind die Schlangen überschaubar. „Da helfen unsere Anzeigetafeln, die eilige Urlauber direkt zur kürzesten Schlange schicken“, sagt Schleicher.

Davon profitiert auch Susanne Eisenmann. Die baden-württembergische CDU-Kultusministerin will Urlaub auf Mallorca machen. Um sie herum steht eine Gruppe angetrunkener Jugendlicher. „Aber ich gehe nicht auf den Ballermann!“, sagt Eisenmann sofort, damit bloß keine Missverständnisse entstehen. Grund ihres Wochenendtrips sei der runde Geburtstag einer guten Freundin.