Der Fernbusmarkt wächst und wächst. Doch die Branche kämpft trotz dem starken Zuwachs bei den Fahrgästen mit so mancher Widrigkeit. Vor allem fehlen den Unternehmen Fahrer.

Stuttgart - Die nackten Zahlen signalisieren eine lupenreine Erfolgsgeschichte. Allein im vergangenen Jahr sind in Deutschland mehr als 21 Millionen Menschen mit dem Fernbus verreist. 2013 – dem Jahr der Liberalisierung des inländischen Linienverkehrs – waren es acht Millionen. Im Jahr vor der Freigabe gerade mal drei Millionen. Doch die junge Branche steht vor harten Bewährungsproben.

 
Die Mobilitätsanbieter

Die Mobilitätsanbieter

Für viele Fahrgäste des Fernbusses dürfte der günstige Preis ein wichtiger Grund dafür sein, warum sie dieses Verkehrsmittel wählen. Ein Beispiel: für die Strecke Hamburg-München hat das Portal verkehrsmittelvergleich.de für den 9. September folgende Preise ermittelt: Mit dem Bus bezahlt man 29 Euro. Bei der Mitfahrzentrale BlaBlaCar kostet diese Reise 43 Euro. Mit dem Fernzug 118 Euro und mit dem Flugzeug 183 Euro. Dafür trumpfen die Buskonkurrenten in Sachen Reisedauer. Das Flugzeug ist 1:15 Stunde unterwegs, der Zug 6:15 Stunden und das Auto 7:30 Stunden. Der Bus dagegen benötigt zwölf Stunden. Bei der Ökobilanz wird die Sache knifflig. Im direkten Vergleich liege ein ausgelasteter Fernbus bei den Treibhausgasen sogar unter den Werten der Bahn, sagt der Verkehrsclub Deutschland (VCD). Bei Stickstoffoxiden und Feinstaub wiederum schneide die Bahn besser ab. Der Haken: Fernbusunternehmen sind nicht verpflichtet, Daten an das Statistische Bundesamt zu melden. Als Anhaltspunkt beim Vergleich der Emissionen verschiedener Verkehrsmittel dienen daher nur die Werte von Reisebussen – diese sind allerdings häufiger voll ausgelastet und erzielen deshalb bessere Ökobilanzen. Simon Hüther vom VCD betont dennoch: „Wenn der Fernbus neue Kunden vom Auto weg lockt, ist er zu befürworten.“ BlaBlaCar wiederum hat darauf reagiert und kompensiert als erster Mobilitätsanbieter seit Juli standardmäßig den CO2-Ausstoß jedes Mitfahrer für Fahrten in Deutschland. Zusammen mit der gemeinnützigen Organisation myclimate werden Klimaschutzprojekte unterstützt.

Der Wettbewerb

Der Wettbewerb

Spätestens von 2017 an ist Flixbus mit mehr als 90 Prozent Marktanteil Monopolist. Denn Mitte September gab die Bahntochter Berlin Linienbus (BLB) bekannt, dass sie zum Jahresende aufgibt. Derzeit fährt BLB noch 40 Linien – überwiegend zwischen großen deutschen Städten. Doch die Bahn hatte den Fernbus-Markt zu lange nicht richtig ernst genommen, kaufte sich dann mit Millionenaufwand mühsam Marktanteile zurück, um das Geschäft jetzt doch zusammenzustreichen. Zuvor hatte Flixbus, hinter dem der amerikanische Großinvestor General Atlantic steht, bereits die Konkurrenten Postbus und Mein Fernbus übernommen. Wettbewerb wird es jedoch nach wie vor geben – nur nicht mehr zwischen Fernbusunternehmen. Entscheidend ist nämlich nicht so sehr die Konkurrenz unter diesen Firmen, sondern der Wettbewerb zwischen Bus, Bahn, Auto und Flugzeug. Dennoch geht man bei der Verbraucherzentrale Bundesverband von einem „leichten Preisanstieg“ bei den Bustickets aus. Beim Bundesverband deutscher Omnibusunternehmer heißt es dagegen: „Wir erwarten keine spürbaren Auswirkungen.“

Die drohende Maut

Die drohende Maut

Das Bundesverkehrsministerium blockt nach wie vor ab. Bisher gibt es im Haus von Alexander Dobrindt (CSU) keine Pläne zur Einführung einer Busmaut. Viele Akteure in Politik und Wirtschaft fordern dennoch für Fernbusse eine Maut. Die Bundesländer machen Druck über den Bundesrat. Baden-Württembergs grün-schwarze Regierung ist allerdings blockiert und enthält sich der Stimme, obwohl Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) ein entschiedener Befürworter der Maut ist. Doch der Koalitionspartner CDU bremst. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Steffen Bilger sagt: „Der Fernbusmarkt soll sich jetzt erst einmal weiter entwickeln können, zumal viele Busunternehmer noch nicht kostendeckend fahren.“ Allerdings räumt er ein: „Auf Dauer können die Busse nicht außen vor bleiben, da ja auch die Lkw-Maut ausgeweitet wird.“ Die Bundesregierung hat nun Ende August beschlossen, bis spätestens Ende 2017 eine Ausweitung der Maut auf Fernbusse zu prüfen. Bahn-Chef Rüdiger Grube hatte bereits im Frühjahr 2015 eine entsprechende Mautpflicht gefordert, der Auto Club Europa (ACE) plädiert ebenfalls dafür. Begründung: auch Busse sorgten ähnlich wie Lkw aufgrund ihrer höheren Achslast für einen besonders großen Verschleiß der Straßen. Zudem müssten Bahnen für jeden gefahrenen Kilometer eine Trassengebühr entrichten. Faire Wettbewerbsbedingungen seien somit nicht gegeben.

Die Gegenrechnung

Die Gegenrechnung

Machen die Busunternehmer ihre Rechnung auf, fällt die Analyse allerdings anders aus. Nach einer Berechnung des IGES-Instituts im Auftrag des Bundesverbands deutscher Omnibusunternehmer (bdo) liegt der sogenannte Wegekostendeckungsgrad für Omnibusse nämlich bei 141 Prozent. Sprich: auf den Straßen wird durch den Busverkehr – vor allem aufgrund der Mineralölsteuer – das 1,4-fache dessen an Einnahmen generiert, was die Busse an Wegekosten verursachen. Bei der Bahn dagegen liegt der Wegekostendeckungsgrad bei nur 44 Prozent. Zudem würden der Verkehr auf der Schiene und in der Luft von verschiedensten Steuer- und Abgabevergünstigungen profitieren. Laut bdo wird die Bahn mit bis zu 17 Milliarden Euro jährlich vom Staat subventioniert. Der Bus dagegen werde überhaupt nicht bezuschusst. Fakt ist allerdings auch: eine Fernbusmaut würde keine dramatischen Auswirkungen auf die Preise haben. Nach Berechnungen des Bundesverkehrsministeriums würde sie mit 0,2 Cent pro Fahrgast und Kilometer zu Buche schlagen, wenn sie der Lkw-Maut entspricht. Für eine Fahrt von Stuttgart nach Berlin – etwa 630 Kilometer – wären das 1,26 Euro mehr. Der Verband der baden-württembergischen Busunternehmer (WBO) baut sicherheitshalber schon mal vor. Sollte die Busmaut tatsächlich kommen, so WBO-Sprecher Klaus Zimmermann, dann wäre „eine Gleichstellung mit den Lkw dringend angezeigt“. Schließlich könnten von der Lkw-Maut betroffene Unternehmen aufgrund der so genannten Mautharmonisierung Ausbildungsunterstützung, Reifenzuschüsse und andere finanzielle Förderungen beantragen.

Der Nachwuchsmangel

Der Nachwuchsmangel

Für die Busbranche ist der demografische Wandel Fluch und Segen zugleich. Die mobile Generation 60plus sorgt für immer zahlreichere Kundschaft. Allerdings sind nach Angaben der Gewerkschaft Verdi bereits 40 Prozent der rund 95 000 Fahrer in Deutschland älter als 50 Jahre. Mehr als jeder zweite Unternehmer hat Probleme, genügend Personal zu rekrutieren. Bezogen auf die 4700 Omnibusunternehmen in Deutschland werden mittlerweile pro Jahr rund 14 500 Chauffeure gesucht. WBO-Sprecher Zimmermann warnt: „Der drohende Fahrermangel ist absehbare Realität!“ Richard Eberhardt, Präsident des Internationalen Bustouristik Verbands RDA, sieht die Politik in der Pflicht. „In die Ausbildung eines Fahrers muss ein Unternehmer 10 000 bis 12 000 Euro investieren.“ Dies übersteige die finanzielle Möglichkeiten vieler Betriebe. Sowohl Eberhardt als auch Hermann Meyering, Vorstandsvorsitzender des Gütegemeinschaft Buskomfort (gbk), fordern daher ein Bafög für Busfahrer. Damit soll es Nachwuchskräften leichter gemacht werden, selbst in einer Fahrschule den Führerschein zu machen. Denn nur zehn Prozent der Unternehmen – oftmals große kommunale Unternehmen wie die Stuttgarter SSB – bieten eine Ausbildung zur Fachkraft im Fahrbetrieb an. Eberhardt sagt: „Aus dem deutschen Markt werden wir nicht genügend Nachwuchs rekrutieren können.“ Er will deshalb auch junge Arbeitssuchende aus Südeuropa anwerben. Dass der Nachwuchs zunehmend ausbleibt, hat vor allem drei Ursachen: Zum einen griff die Branche jahrzehntelang auf Kraftfahrer zurück, die in den Reihen der Bundeswehr ausgebildet wurden. Das Ende der Wehrpflicht hat diese Quelle zum Versiegen gebracht. Zum zweiten ist die Bezahlung für Busfahrer nicht gerade üppig und je nach Bundesland unterschiedlich. Ein Fahrer von Linienbussen kommt im Durchschnitt auf ein Gehalt von rund 2000 Euro im Monat. In Baden-Württemberg ist die Situation besser. Hier wird im Schnitt 15 Euro pro Stunde bezahlt. Der dritte Grund ist, dass die Busunternehmen zu spät erkannten, dass die Quereinsteiger rar werden. Ausbildungsoffensiven oder Kooperationen wurden zu spät oder noch gar nicht angepackt. Für Martin Gross von Verdi steht deshalb fest: „Die Unternehmen müssen mehr selber ausbilden und bessere Löhne bezahlen.“