Fernsehen beim Fest: ein Traum. Zumindest früher. StZ-Redakteure erinnern sich ans weihnachtliche TV-Programm – und schauen mal, was 2014 so läuft.

Stuttgart - Es gab schon immer viele Gründe, sich aufs große Fest zu freuen. Einer davon: Fernsehen ohne Ende! Getrieben von Nostalgie erinnern sich StZ-Redakteure an weihnachtliche TV-Genüsse längst vergangener Tage.

 

Matthias Hohnecker über Timm Thaler

Foto: ZDF

Es gibt nicht mehr viele Möglichkeiten, Thomas Ohrner im Fernsehen zu sehen. Der inzwischen verstorbene Drehbuchautor Justus Pfaue hat einst in einem Interview erklärt, woran das liegen könnte: „Er war eben nur, wenn überhaupt, eine Pubertätsbegabung, danach eigentlich ein lausiger Schauspieler.“ Immer wenn man Ohrner aber im TV sieht und immer, wenn er dann lacht, ist man gottfroh.

Ohrner spielte nicht nur, er war dieser Timm Thaler, der sein Lachen an den Baron Le Fuet (ein Anagramm von Teufel!) verkauft hatte. „Timm Thaler“ war 1979 die allererste ZDF-Weihnachtsserie und sie holte uns Elfjährige in Scharen unterm Christbaum vor. Wir guckten und wir hatten Angst vor Le Fuet und vor Horst Frank, der ihn spielte. Und wir nannten unsere Katze, deren rechtes Ohr ausgefranst war, noch Jahrzehnte später „Tommi“ – nach Tommi Ohrner. Womöglich könnte er darüber nicht lachen.

Adrienne Braun über „Sissi“

Foto: SAT.1

Bei uns wurde an Weihnachten kein Fernsehen geschaut. Wie auch – der Fernseher stand im Wohnzimmer, das dem Fest gewidmet war. Am ersten Feiertag lümmelte man auf dem Teppich zwischen den Geschenken. Aber irgendwann kam der Moment, an dem man sich vor der Glotze versammelte für „Sissi“. Jahr für Jahr die schöne Romy Schneider, die wie ein Reh über die Wiesen springt und am unterkühlten Hof landet – „Hier ist alles Etikette“.

Wie Sissi allein „Graf Andrássy“ ausspricht! Wie sie ihren Franz bezirzt! Dann das Finale der großen Tragödie: Das Kaiserpaar in Venedig, ein schier endloser roter Teppich auf dem Markusplatz, auf dem gespannte Stille herrscht. Plötzlich rennt Romy ihrem Töchterchen entgegen und herzt das Mädchen. Das Eis gebrochen, die Herzen erobert. Die Menge ruft „Viva la Mamma“ – und wir schluchzten hingebungsvoll über diesen herrlichen Kitsch!

Tim Schleider über „Stars in der Manege“

Foto: dpa

Seit ich denken kann, gab es am zweiten Weihnachtstag abends im Ersten immer „Stars in der Manege“ aus dem „Zirkusbau Krone in München“. Schauspieler oder Sänger traten dann nach Monaten entbehrungsreichen Trainings in wahnsinnig gefährlichen Nummern als Trapez-Akrobaten oder Löwendompteure auf. In Wirklichkeit waren die Nummern kein bisschen gefährlich, zumindest nicht für die Stars, die meist nur oben am Trapez der Schaukel einen Schubs gaben oder unten am Käfig dem eigentlichen Dompteur die Leckerlis für folgsame Löwen durchs Gitter reichten.

Aber lustig war’s trotzden, wenn Horst Schlämmer mit einem Kamel sprach oder Simone Thomalla von einem Messerwerfer beworfen wurde. Irgendwie geruhsam und entspannt. 2010 hatte die ARD keine Lust mehr auf Zirkus. Seitdem läuft am Zweiten noch ein „Tatort“. Man könnte darüber glatt zum Messerwerfer werden.

Ulla Hanselmann über „Winnetou“

Foto: Pro7Sat1

Die frohe Botschaft des Fests, sie kam nicht mit „Oh du fröhliche“ ins Wohnzimmer meiner Kindheit, sondern mit den Sehnsuchts-Violinen der „Winnetou“-Filme. Denn Old Shatterhand, der weiße Mann, der übers große Wasser kam, um im Wilden Westen Heldentaten zu vollbringen, und Winnetou, der letzte Häuptling der Apachen – diese stolzen Männer waren Blutsbrüder. Ewige Freundschaft hatten sie sich geschworen, und ihre Mission war Gerechtigkeit und Frieden.

Howgh, ich habe gesprochen! Sie waren die Guten, und mit anzusehen, wie sie gegen das Böse siegten, war ergreifend. Aber die Moral war nur das eine. Pierre Brice als Winnetou – gab es einen Schöneren, Edleren? Und die Weite der Prärie, der Abenteuer verheißende Klang von Namen wie Intschu-Tschuna, der Slapstick von Ralf Wolters Sam Hawkens, die dramatischen Kämpfe – all das versprach perfekte TV-Unterhaltung.

Ariane Holzhausen über „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“

Foto: Verleih

Bis das Glöckchen klingelte und mein Bruder und ich endlich das feierlich geschmückte Wohnzimmer betreten durften, spielten sich jahrelang die gleichen Szenen ab: Er, fünf Jahre älter als ich, brauchte mit zunehmenden Alter immer länger im Bad. Praktisch. Das gab mir zweitweise die Hohheit über den kleinen Fernseher in seinem Zimmer.

Ob er nun just am Nachmittag des heiligen Abends lief, weiß ich gar nicht mehr – aber die Minuten vor der großen Bescherung, sind für mich unmittelbar mit dem legendären Märchenfilm „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ verknüpft. Ich, steifer als sonst vor dem Fernseher sitzend, damit mein für Weihnachten angelegtes Prinzessinnenkleid nicht noch Falten kriegt, schaue diesem wunderhübschen frechen Aschenputtel zu. Ich träumte damals noch nicht vom Prinzen. Beeindruckender war es, dass in den kleinen Nüsse so riesige Geschenke steckten. Zauberhaft.

Sybille Simon-Zülch über „Ist das Leben nicht schön?“

Foto: obs

Ist dieser Film nicht zauberhaft? Doch, er ist es, der romantisch-tragikomische Weihnachts-Klassiker von Frank Capra von 1940, der 1961 ins deutsche Fernsehen kam. Seither rührt er mich jedes Jahr aufs Neue an Weihnachten zu Tränen: Es ist Heiligabend in einer amerikanischen Kleinstadt, und Capra erzählt die Geschichte des unglücklichen Familienvaters George Bailey (James Stewart), der sich von einer Brücke stürzen will, weil er hoch verschuldet und tief verzweifelt über sein vermeintlich vertanes Leben ist. Aber Capra schickt ihm Clarence, einen Schutzengel in Gestalt eines gütigen Mannes.

Dieser Engel führt den Unglücklichen durch die Straßen, um ihm zu zeigen, wie trostlos das Leben der anderen verlaufen wäre, wenn es ihn, George Bailey, nie gegeben hätte. Eine wunderbare, nicht nur weihnachtliche Ode an den Wert des Lebens. Und einer der schönsten Filme, die uns der große Humanist Frank Capra hinterlassen hat.

Leona Stolterfoht über „Anna“

Foto: dpa

Meine Ballettlehrerein Frau Iglesias, eine ehemalige argentinische Primaballerina, hätte so gerne eine ihrer Schülerinnen an der Musikschule Filderstadt in der John-Cranko-Schule untergebracht. Getrieben von ihrem Ehrgeiz hat sie manche von uns (häufig mich) an den Pranger gestellt: „Iss weniger! Dein Bauch wird immer dicker.“ Erstaunlicherweise war mir das relativ egal, denn ich hatte wenig Ehrgeiz.

Aber dann kam „Anna“. An Weihnachten 1987, sechs Folgen. Ich war zehn Jahre alt und wollte danach eine Ballettstange und einen großen Spiegel im Zimmer haben. Ich wollte Tutus tragen und Ballerina werden. Anna hat es doch auch geschafft! Sogar nach der Wirbelverletzung durch einen Autounfall. Vor allem Rainer (süß: Patrick Bach) hat ihr wieder auf die Beine geholfen. Als Hörspielkassette hat mich Anna noch Jahre begleitet, aber mit meinen Karriereplänen war es schnell wieder vorbei.

Thomas Klingenmaier über „Wir warten aufs Christkind"

Foto: WDR

Mitte der sechziger Jahre war das Kinderprogramm – es gab ja nur ARD und ZDF – eine Mixtur aus Regelfibel, Zuchtrute und Fleißkärtchen. Getreu seinem Familienbild hätten wir am Heiligen Abend als Folgsamkeitspudel brav gewartet, dem Christkind ein Gedicht aufsagen zu dürfen. Aber natürlich warteten wir aufs Christkind wie Jesse James auf die Postkutsche.

Zur Strafe für so viel materialistische Unruhe gab es die Sendung „Wir warten aufs Christkind“: verklärte Bilder von Weihnachtsbäumen, alpenländische Schneeidyllen, dazu den Bielefelder Kinderchor oder die Regensburger Domspatzen. Trickfilmhäppchen mit den Schlümpfen oder Auftritte der Augsburger Puppenkistenmarionetten boten Luft zum Atmen in der erstickenden Besinnlichkeit. In diesen Weihnachtswartestunden wurde jene Generation geprägt, die dann bereit war, dem vulgären Privatfernsehen zu viel zu verzeihen.