Das mediale Déjà-vu beginnt in der Regel pünktlich zur Sommerzeit. Dann wiederholen die Sender Filme und Serien. Viele Zuschauer ärgert’s, manche freut’s. Doch nach welchen Kriterien wird das „Beste von gestern“ ausgegraben?

Stuttgart - Die meisten Zuschauer haben sich damit abgefunden: In den Sommermonaten zeigen ARD, ZDF und Sat 1 auf den angestammten Fernsehfilmsendeplätzen das Beste von gestern. Die öffentlich-rechtlichen Sender begründen die Wiederholungsschwemme mit den unvermeidlichen Sparmaßnahmen, bei der kommerziellen Konkurrenz refinanzieren sich Eigenproduktionen ohnehin erst mit der dritten oder vierten Ausstrahlung. Gern wird auch auf das potenziell kleinere Publikum hingewiesen: Viele Menschen sind im Urlaub oder beginnen ihren Fernsehabend bei schönem Wetter deutlich später als sonst. Die WDR-Fernsehdirektorin Verena Kulenkampff hat ein weiteres Argument: „Wenn ein Film bei der Erstausstrahlung 15 Prozent Marktanteil hatte, bleiben 85 Prozent, die ihn nicht gesehen haben.“

 

Dieser Logik zufolge müssten im Sommer also vor allem solche Produktionen wiederholt werden, die bei ihrer Erstausstrahlung schlechte Einschaltzahlen hatten. Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall: Erfolglose Filme haben laut Verena Kulenkampff auch bei der Wiederholung nicht viele Zuschauer. Entscheidender Aspekt für die Auswahl eines Films ist für den ZDF-Fernsehfilmchef Reinhold Elschot daher nicht nur die Frage, „ob uns ein Film wichtig ist“, sondern vor allem das Kriterium, ob er „bei der Erstausstrahlung so erfolgreich war, dass wir glauben, er findet nach ein bis zwei Jahren nochmals ein großes Publikum.“

Flops bekommen also offenbar nur dann eine zweite Chance, wenn sich Hinweise finden lassen, dass sich ein Film unter Wert verkauft hat. Laut Verena Kulenkampff, die auch Fernsehfilmkoordinatorin der ARD ist, würden solche Produktionen, die bei ihrer Premiere nur einen einstelligen Marktanteil hatten, eher im dritten Programm als im Ersten wiederholt.

Die Drehbuchautoren bekommen wieder Geld

Während die Zuschauer auf die Wiederholungen je nach Temperament verärgert oder fatalistisch reagieren, hat das Thema aus Sicht der Drehbuchautoren eine durchaus existenzielle Komponente. Wenn sie nicht für ein entsprechend höheres Honorar sämtliche Rechte abgetreten haben („total buyout“), bekommen sie in der Regel jedes Mal Geld, wenn ARD oder ZDF einen Film wiederholen. Die Summe liegt zwischen 50 und 100 Prozent des ursprünglichen Honorars.

Entsprechend argwöhnisch wird beobachtet, welche Filme wie oft gezeigt werden. Man vermutet, die Sender wiederholten bevorzugt Filme, für sie kein Wiederholungshonorar zahlen müssten. „Reiner Unsinn“, sagt Elschot: „Würden wir nach diesem Kriterium auswählen, gäbe es kaum Wiederholungen, weil ‚buyouts’ bei unseren Fernsehfilmen die ganz große Ausnahme sind. Wenn es anders wäre, hätte ich keinerlei Grund, das zu verheimlichen, sondern würde das sofort als Beleg für unsere Sparsamkeit anführen.“

Auch Kulenkampff findet, derlei sei „im Sinne des Gebührenzahlers“: Wenn sich zum Beispiel abzeichne, dass man gegen ein rein deutsches Champions-League-Finale im ZDF auf verlorenem Posten stehe, „ist es doch ökonomisch vernünftig, eine frauenaffine Degeto-Produktion dagegen zu stellen, die kein Wiederholungshonorar kostet.“ Ein Anwalt für Medienrecht bezeichnet die Form der mehrfachen Bezahlung übrigens als deutsches Unikum: „Dieses Phänomen gibt es nur hierzulande. Das ist ein völlig ineffizientes System, das man in dieser Form in keinem anderen großen Fernsehmarkt findet.“ Der Anwalt empfiehlt den Fernsehautoren, bei Vertragsabschluss besser nicht auf einem Wiederholungshonorar zu bestehen: „Es ist wesentlich vernünftiger, alle sieben Jahre die Rechte zu erneuern.“

Das Alter sieht man nicht nur an den Autos

Allerdings ist es fraglich, ob Filme nach Ablauf dieses Zeitraums überhaupt noch Aussicht auf eine Wiederholung haben. Hollywood-Produktionen, sagt Elschot, „halten sich viel länger als deutsche TV-Movies, weil die meisten Zuschauer Amerika nur aus dem Kino oder aus dem Fernsehen kennen, da man macht nicht dauernd den Realitätsabgleich.“ Deutsche Fernsehfilme täten sich dagegen oft schwerer.

Das Gespür für das Alter eines im Sommer wiederholten Films beziehe sich aber nicht nur auf Frisuren oder Autos, sondern auch auf Erzählweisen: „Die Sehgewohnheiten haben sich radikal verändert. Früher ist aus heutiger Sicht umständlicher und langsamer erzählt worden. Manche Filme können deshalb schon nach drei oder vier Jahren veraltet wirken.“