Doris Radmann war die erste Wirtin im Fernsehturm und leitete gemeinsam mit ihrem Mann Fedor die Festspielgastronomie in Bayreuth. Dort versorgten sie unter anderem Wolfgang Wagner mit Handfestem.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Eine einstündige Audienz bei Doris Radmann im Stadtteil Birkach ist lehrreicher als jeder Besuch im Haus der Geschichte. Doris Radmann hat gemeinsam mit ihrem Mann Fedor die Lokale im Stuttgarter Fernsehturm betrieben – Fedor Radmann von Anfang an, Doris Radmann kam in den 60er Jahren dazu, beide waren bis 1973 verantwortlich. Und als ob der Fernsehturm als Arbeitsplatz nicht schon ordentlich genug gewesen wäre, verantworteten die Radmanns von 1963 bis 1978 auch noch die Festspiele in Bayreuth gastronomisch.

 

Wenn Doris Radmann ihre Fotoalben auspackt, steht die Zeit für viele Momente still. Der Besuch der Queen, Feste in den verschiedenen Lokalen im Turm und jede Menge Prominente, die sich im Gästebuch des Fernsehturms verewigt haben. Als die Queen 1965 zu Besuch war, haben die Radmanns extra Gläser für sie anfertigen lassen mit den Initialen ER für Elisabeth Regina. „Gegessen hat die Königin nichts, dafür hat sie sich ein Gläschen Kessler Hochgewächs schmecken lassen“, so Doris Radmann. Angesichts ihrer Schwarz-Weiß-Aufnahmen bekommt man Sehnsucht nach einer fast barock wirkenden Wirtschaftswunderzeit im warmen Sepia-Ton.

Kaviar und Hummer beim Festessen im Fernsehturm

Kaviar und Hummer aus Helgoland: den Speisekarten der Festessen nach zu urteilen kam die Hautevolee von Stuttgart im Turm auf ihre Kosten. „Das waren damals große Essen im Fernsehturm“, erinnert sich Doris Radmann. Ihr Mann Fedor hatte den Bären in Böblingen betrieben und bekam den Zuschlag für den Fernsehturm, „weil damals kein Stuttgarter Gastronom so hoch hinaus wollte“, sagt die 80-Jährige.

Der Garten des heutigen Lokals Leonhardts sei damals viel größer gewesen, dafür war der untere Gastraum zu ihrer Zeit zweigeteilt: Der Grill bei Fedor sei ein Treff für eher feinere Anlässe gewesen, das Jagdrestaurant habe dagegen wie ein kleines Museum gewirkt, mit allerlei Antiquitäten in den Vitrinen. Dazu hatten die Radmanns noch den Kiosk vor dem Turm. „Dort gab es nur Souvenirs und nichts zu essen, außer an Ostern oder an Pfingsten, da haben wir die Kochstifte mit belegten Broten vorgeschickt.“ Zu den gefragtesten Souvenirs gehörte eine Schnapsflasche in Fernsehturmform, solch ein 50 Jahre altes Stück steht bei Radmann heute in der guten Stube.

Selbstgebackenes aus Stuttgart für Bayreuther Festspiele

Die Bewirtung der Festspiele in Bayreuth ergab sich auf einem eher ungewöhnlichen Wege. „Das hatten vorher die Weigelschmidts gemacht, die in Stuttgart unter anderem das Höhenrestaurant im Killesbergpark betrieben haben. Bei der Beerdigung von Hans sagte seine Witwe Friedo zu meinem Mann ,Sie sollten das künftig machen’“, erinnert sich Doris Radmann.

So kam es also, dass die Radmanns von 1963 bis 1978 jedes Jahr von Ende Juli bis Ende August täglich 2200 Leute im Festspielhaus in Bayreuth kulinarisch glücklich machten – unter anderem mit selbst hergestellten Konditoreiwaren. „Schließlich hatten wir im Fernsehturm eine eigene Konditorei und eine Metzgerei“, erzählt Doris Radmann. „Im Fernsehturm hatten wir anfangs 100 Festangestellte, in Bayreuth waren es noch einmal 100, dort zählte allein die Servicebrigade 30 Mitglieder“, so Radmann weiter.

Der Großvater hatte sieben Schnellgaststätten

Während der Aufführungen war Fedor Radmanns Platz auf der Beleuchtertribüne, von dort aus hatte er den besten Überblick. „Da konnte er immer genau sehen, wann die Türen aufgingen. Wenn es soweit war, kam er in die Küche und ließ den Apparat anlaufen.“ Mit Wolfgang Wagner waren die Radmanns befreundet. „Wieland Wagner war musikalisch genial, Wolfgang dafür in allen anderen Bereichen. Er war ein fränkisches Original und hat sich die Wurst immer selber aus dem Eisschrank geholt.“

Doris Radmann stammt aus einer Gastronomiefamilie. Ihr Großvater Wilhelm Dörr hatte vor dem Krieg sieben Schnellgaststätten in Stuttgart, mit belegten Broten in Automaten, eine Art Vorläufer der Systemgastronomie. Dörr betrieb außerdem einen Weinkeller am Schillerplatz. „Mein Großvater hat den Wein im Remstal eingekauft, dann am Schillerplatz ausgebaut und schließlich in seinen Schnellgaststätten verkauft“, so Doris Radmann.

Fedor Radmann ist 1998 gestorben. Doris Radmanns Stiefsohn, der wie der Vater Fedor mit Vornamen heißt, ist heute noch bekannter als sein Vater – als Berater von Franz Beckenbauer, muss er sich seit den Vorgängen rund um das Sommermärchen 2006 viel Kritik gefallen lassen. Angefangen hat Fedor Jr. übrigens mit einem Bauchladen am Fernsehturm, später hat er seine Eltern in Bayreuth unterstützt. Was ist Doris Radmann ansonsten geblieben außer jeder Menge Erinnerungen an den Fernsehturm? Eine Eintrittskarte auf Lebzeiten. Einen größeren Schatz dürfte es in Stuttgart kaum geben.