Fast 50 Teilnehmer treten seit Donnerstag in der Sindelfinger Stadthalle bei der deutschen Zauberermeisterschaft an. Ein Titel gilt als wichtiges Aushängeschild für die weitere Künstlerkarriere.

Regio Desk: Oliver im Masche (che)

Sindelfingen - In der Haut des Künstlers, der am Donnerstag in der Sindelfinger Stadthalle in der Sparte Mentalmagie um den Titel eines Deutschen Meisters gezaubert hat, will niemand stecken. Erst trumpft er mehrere Male damit auf, dass er die Wochentage von Daten blitzschnell nennt. Doch bei der augenzwinkernd gemeinten Frage nach dem 9. Januar 2014 steht er auf dem Schlauch, sagt erst Mittwoch und braucht lange, ehe er kapiert, dass er veräppelt wird. Und beim Lösen eines weiteren Mathematikrätsels, bei dem ebenfalls Tempo gefragt ist, schleicht sich erneut ein Fehler ein. „Es tut mir leid. Meine Nerven versagen. Ich breche ab“, stammelt der Künstler. Dennoch begleitet ihn aufmunternder Applaus von der Bühne.

 

Die wenigsten wissen, dass Sindelfingen neben dem englischen Badeort Blackpool europaweit als Zentrum der Zauberkunst gilt. Jahr für Jahr treffen sich dort in der Stadthalle mehrere hundert Künstler aus ganz Europa, um bei einer Fachmesse Tricks auszutauschen und neueste Trends aufzuspüren. Der Veranstalter, der Magische Zirkel Stuttgart, ist dieses Jahr auch der Hausherr der deutschen Meisterschaft in der Zauberkunst. 50 Teilnehmer stehen in neun Kategorien wie Großillusion, Mentalmagie, Manipulation, Comedy und Zauberkunst für Kinder auf der Bühne. Eine Auszeichnung gilt für die Künstler als wichtig für die Karriere. Außer den Festivalbesuchern und der siebenköpfigen Jury ist kein Publikum bei den Darbietungen der Tricks zugelassen. Für viele Teilnehmer ist es der erste Auftritt vor so vielen Zuschauern.

Im Finale macht auch Frank Zick aus dem hessischen Babenhausen auf sich aufmerksam: Zick bettet seine Tricks in ein gemeinsames Dschungelabenteuer von Indiana Jones und Tomb Raider ein, in dessen Verlauf die Helden plötzlich verschwinden und unerwartet wieder auftauchen. Während Zick auch auf Effekte wie laute Musik und Pyrotechnik setzt, legt der Künstler Jora großen Wert auf leise Töne. Seine Tricks stehen mit dem Thema Zeit in Verbindung. Als sie vergeht, rieselt plötzlich eine nicht enden wollende Menge Sand einer Stundenuhr aus seinem Ärmel. Und eine Blume blüht innerhalb weniger Sekunden auf und verwelkt auch ebenso rasch.

Zu den hoffnungsvollen Nachwuchstalenten zählt Nikolai Striebel aus Reutlingen. Der 15 Jahre alte Schüler hat erst vor kurzem die Jugendmeisterschaft der Zauberkunst gewonnen, zudem setzte er sich in der Sparte Manipulation auch gegen alte Hasen durch. Striebel trifft den Geschmack des Publikums: Er glänzt bei seinen magischen Tricks mit Zetteln, Stiften und Papierfliegern mit unglaublicher Fingerfertigkeit. Und seine Darbietung bettet der Junge in eine Geschichte ein, die glaubhaft wirkt: Er gibt einen Schüler im Unterricht, der mit den verblüffenden Spielchen versucht, die Langweile zu vertreiben. Ob der Junge mit seiner Darbietung eine deutsche Meisterschaft erringt, steht nicht fest: Die Sieger werden am Sonntag genannt.

Alle Zutaten für die gelungene Nummer von Striebel sind ganz nach dem Geschmack von Andy Häussler, der das Festival organisiert und seit mehr als 20 Jahren zu den besten deutschen Magiern zählt. „Es sind drei Kriterien, die eine Darbietung ausmachen: Die technische Perfektion, die Art der Inszenierung und die Kreativität“, sagt Häussler. Es komme nicht darauf an, dass etwas völlig Neues präsentiert werde: „Das Auto wird ja auch nicht ständig neu erfunden“, so der Vizepräsident des Magischen Zirkels. Dennoch erkennt Häussler in der Zauberkunst einen neuen Trend: „Die Geschichten, die bei den Illusionen erzählt werden, immer komplexer.“