Beim Festival „Terrorisms“ hat das Schauspiel Stuttgart alles richtig gemacht. Nur eines nicht: Es hat das Publikum vergessen. Ein Kommentar von StZ-Kulturredakteur Roland Müller.

Stuttgart - Mehr als fünfzig Veranstaltungen an fünf Tagen, dazu rund hundert Theatergäste aus dem Ausland, die einer besonderen Rund-um-die-Uhr-Betreuung bedurften: das Stuttgarter Schauspiel hat diese herkulische Herausforderung bestens bewältigt. Logistisch ist beim internationalen Terrorismus-Festival alles wie am Schnürchen gelaufen, dank einer hervorragenden Organisation und einer Heerschar von kundigen Helfern und Helferinnen, die im ganzen Haus unterwegs waren. Dass dieses von den Festivalmachern eigens rekrutierte Personal manchmal aber unbeschäftigt auf seinem Posten stand, verweist auf das nicht zu leugnende Problem der vom Intendanten Armin Petras und seinem Team ersonnenen Veranstaltung: Das Publikum blieb aus.

 

Woran lag’s, dass die Reihen im Schauspielhaus, im Kammertheater und im Nord trotz hochklassigem Angebot und nicht zu überbietender Themen-Aktualität oft nur schütter besetzt waren? Das schöne Wetter allein kann am Ausbleiben der Zuschauer nicht schuld sein, ebenso wenig wie die – zugegeben – höchst unglückliche Konkurrenz mit dem Tanzfestival „Colours“ im Theaterhaus, das vom Publikumsliebling Eric Gauthier fast zeitgleich mit „Terrorisms“ eröffnet worden ist. Dort die leichte Kost, hier die schwere Kost, ja, stimmt – aber dass man auch mit Komplexität punkten kann, ist in Stuttgart ebenfalls schon häufiger bewiesen worden. Als Vorgänger von Armin Petras hat sich Hasko Weber in seiner dritten Spielzeit wochenlang mit der „Endstation Stammheim“ auseinandergesetzt. Auch damals ist das Haus nicht aus allen Nähten geplatzt, aber üppiger als jetzt hat es sich auf jeden Fall präsentiert.

Bei „Terrorisms“ aber blieben die Theaterleute wie bei einer Betriebsfeier unter sich. Das könnte an der fehlenden lokalen Anbindung des Themas liegen, aber auch an dessen unsinnlicher Vermarktung im Vorfeld: Das Programmheft las sich wie ein dröges Vorlesungsverzeichnis. Extrem klug, aber auch extrem unsinnlich, unattraktiv und fordernd, mehr Uni als Theater. Und wer würde einem akademischen Oberseminar in diesen Tagen nicht den lauschigen Biergarten vorziehen? Das Schauspiel hat mit hohem Aufwand ein Premium-Festival zu einem wichtigen Thema auf die Beine gestellt. Es hat alles richtig gemacht, nur eines nicht: Es hat das Publikum vergessen.