Beim Festival Viel-Falten der Tanz- und Theaterwerkstatt lernen Alt und Jung vom 4. bis 8. Mai an in der Karlskaserne von einander. Zur Eröffnung beantworten 22- bis 88- Jährige das Motto „Fragen wagen“ tänzerisch.

Ludwigsburg - Geht ihr wählen? Wisst ihr überhaupt, was ihr wollt? Liegt ihr euren Eltern auf der Tasche? Solche Fragen stellen die Darsteller des Altentanztheaters Zartbitter der Jungen Generation, die ihnen bei den Proben trotzig gegenüber steht. Die Gruppen laufen wie im Western-Duell aufeinander zu. Die Alten beschießen die Jungen mit immer neuen Fragen. Es wird bedrohlich. Unterschwellige Vorwürfe, Klischees und Vorurteile tun weh. Sie ziehen und zerren an den Armen der Grünschnäbel bis diese es nicht mehr aushalten und sich befreien. „Das Stück soll dann aber zeigen, wie Beziehungen zwischen Alt und Jung gelebt werden können“, erklärt Choreografin Marina Grün.

 

Die 88-Jährige Tänzerin Traute Kröner lernt viel von den Jüngeren

Was beim Eröffnungsstück zum Festival „Viel-Falten“ der Tanz- und Theaterwerkstatt, das am Donnerstag, 4. Mai, um 19 Uhr beginnt, momentan geprobt wird, steht im krassen Gegensatz zu den Erfahrungen, die die Tänzer miteinander gemacht haben. „Ich hätte nie gedacht, dass es so viele Parallelen zwischen uns gibt“, sagt die Jüngste, Chiara Gaiser. Eigentlich tanzt die 22- Jährige Hip-Hop. Mit zeitgenössischem Tanz ein Thema umzusetzen, ist für sie eine Herausforderung. „Da haben die Älteren viel mehr Erfahrung.“ Von deren Kreativität profitiert sie. Genauso schauen sich aber auch die Senioren etwas ab. Zum Beispiel moderne, reduzierte Bewegungen. „Ich lerne sehr viel und es macht mich sehr glücklich, hier zu sein“, sagt die älteste Tänzerin: Traute Kröner. Sie ist jetzt 88 Jahre alt und topfit.

Wie ist Verliebtsein im Alter?

Nicht aber nur tänzerischen Themen stellen sich die Generationen bei den Proben. Bei gemeinsamen Mittagessen in der Pause werden ganz andere Fragen gestellt. Da wollten die Jüngeren schon mal wissen, ob es anders ist, sich in diesem Alter noch zu verlieben, so Lisa Thomas. Sie leitet die Gruppe Zartbitter und das Festival Viel-Falten. Die Veranstaltung will an fünf Tagen dazu auffordern, Fragen zu stellen, voneinander zu lernen – und sich gemeinsam zur Musik zu bewegen. Denn Tanz ist hier der kleinste gemeinsame Nenner. Gelegenheit dazu gibt es zum Beispiel im Workshop „Linked 2017“ von Jo Parkes aus Berlin. Sie arbeitet als Tanzpädagogin weltweit. Über tänzerisches Geschichtenerzählen verarbeitet sie die Probleme von Gruppen. Aber auch Vorträge wie „Potenziale der Jung-Alt-Begegnung “ von Sonja Ehret, Professorin am Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg stehen auf dem bunten Programm. Ein besonderer Hingucker soll die Modeschau „Prinzessinnen & Heilige“ der Künstlerin Justyna Koeke werden. Sie hat sich von ihren Kinderzeichnungen inspirieren lassen. Daraus sind skurrile Kostüme geworden, die ältere Frauen im Hof des Kunstzentrums Karlskaserne präsentieren.

Jugendkultur am eigenen Körper erleben

Am eigenen Körper erleben die Teilnehmer Jugendkultur im Workshop „Generation Hip-Hop“ von Tänzerin und Choreografin Carina Clay. „Damit wollen wir zeigen, dass junge Tänzer dabei nicht nur planlos zu Boom-Boom-Musik herumhüpfen, sondern, dass viel mehr hinter den Bewegungen steckt“, so Lisa Thomas. „Die Moves (Bewegungen) können Ältere dann ihren Enkeln zeigen.“

Die Tanzpädagogin verarbeitet das Generationen-Thema übrigens auch selbst in einem improvisierten Soloauftritt unter dem Titel „Wolke über 50 Grad“. Zwei weitere Aufführungen kommen hinzu: Anna-Elisabeth Frick, eine Regiestudentin der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg, stellt ihr Projekt „Jetzt.Tanz.“ vor. Sie ist Preisträgerin des Körber Studios für junge Regie 2016. Die Tanzproduktion „Die Metabolisten – Stoff wechseln“ unternimmt auf der Bühne eine Zeitreise durch die Erfahrungswelt des Körpers: vom jungen, energiegeladenen, der auf die Zukunft ausgerichtet ist, bis hin zu älter werdenden, erfahrenen aus der Vergangenheit schöpfenden.

Arthrose? „Da muss man halt kreativ werden.“

Dass die Glieder und der Geist im Alter Grenzen haben, merken die Tänzer der Gruppe Zartbitter bei jedem Training. „Da muss man halt kreativ werden“, sagt Lisa Thomas. Die Tänzer mit einem schlechteren Gedächtnis schauen einfach auf die mit dem besseren. Bei zeitgenössischen Tanz gebe es aber ohnehin viel mehr Spielraum für eigene Bewegungen, die man noch gut kann, als bei anderen Tänzen mit straffer Choreografie. Arthrose ist also kein Grund zum Aufhören.